Fahrbericht: Voge SR4 MAX 350 Luxury - Aggressiver Wettbewerber

BMW-Kooperationspartner Loncin hat den 350er Scooter SR4 MAX zum SR4 350 Luxury aufgewertet. Das macht ihn zu einem echten Wettbewerber, der zudem über den Preis punktet.

7Fahrbericht: Voge SR4 MAX 350 Luxury - Aggressiver Wettbewerber
Der Voge SR4 MAX 350 Luxury ist ab 6.400 Euro zu haben Foto: fbn

Die mittlerweile 18 Jahre währende Zusammenarbeit zwischen BMW und der chinesischen Firma Loncin trägt immer mehr Früchte – für Loncins Marke Voge. Denn der bislang ein wenig unterhalb des Touring-Rollers BMW C 400 GT angesiedelte Chinesen-Scooter Voge SR4 MAX 350 wurde für 2024 zum SR4 350 Luxury hochgestuft – und hat jetzt voll das BMW-Niveau erreicht. Der neue China-Kracher verfügt nun nicht nur über die identische Motorleistung von 25 kW/34 PS (bisher 21 kW/29 PS), sondern auch über so luxuriöse Ausstattungsdetails wie eine elektrisch höhenverstellbare Scheibe sowie Griff- und auch Sitzheizung. Und zwar serienmäßig. Damit ist er seinem BMW-Stammvater sogar deutlich voraus. Was BMW ebenfalls nicht freuen wird, ist der Kampfpreis des sehr vollständig, teils sogar luxuriös ausgestatteten Konkurrenten: Es gibt ihn schon für 6.400 Euro, während der BMW C 400 GT, mit zusätzlicher Connectivity, Sitz- und Griffheizung fast auf das Voge-Niveau gebracht, immerhin 9.310 Euro kostet.

Auf Deutschlands Roller-Kunden der beliebten 350er Klasse machen beide noch keinen besonders großen Eindruck: Sieht man vom Sonderfall Vespa 300 Super, dem mit Abstand führenden Bestseller ab, liegen immerhin fünf weitere 300er bzw. 350er vor dem BMW (275 Zulassungen von Januar bis Juli), der Voge liegt mit 147 Stück noch weit dahinter.
Im Vergleich zum Voge SR4 MAX 350 ist die nun erhältliche Luxury-Version um 4 kW/5 PS stärker, das Drehmoment liegt um 5 Nm höher und die Höchstgeschwindigkeit wird mit 129 statt 127 km/h angegeben (BMW 137 km/h). Welten sind das nicht, aber immerhin ist der Unterschied spürbar. Das Fahrverhalten des Luxury ist weitestgehend identisch mit dem 2023er Modell: Die aktuelle Version ist absolut fahrsicher, stabil und wirkt vertrauenerweckend.  Die Bremsanlage mit 265er Doppelscheibe und radial angeschlagenen Vierkolben-Bremssätteln von J.Juan beißt gewaltig zu, das ABS regelt im Notfall feinfühlig; das beim Vorgänger monierte Rubbeln trat nun nicht mehr auf.

Einen weiteren Kritikpunkt des Vorgängermodells hat Hersteller Loncin beseitigt: Dank des vorzüglich schützenden, elektrisch höhenverstellbaren Windschild gibt es keine störenden Turbulenzen mehr am Helm, noch nicht einmal bei der Höchstgeschwindigkeit von Tacho 143. Auf der Landstraße ist der Voge im Roller-Segment eine Macht: Dank guter Abstimmung des stufenlosen CVT-Getriebes sind auch Überholmanöver aus 90 km/h gut möglich, schnellfahrende Lkw sind also kein ernsthaftes Hindernis. Er lenkt zudem leicht ein und durchrollert Kurven stabil. Weil auch seine Schräglagenfreiheit hoch ist, machen kurvenreiche Strecken viel Spaß. Auf ihnen ist mit dem China-Kracher fast Motorrad-Tempo möglich. Die Federung arbeitet zufriedenstellend, wobei die Grundabstimmung recht straff ausfällt.

Beim Vormodell vermuteten wir angesichts der nicht sauber einrastenden Sitzbank-Verriegelung noch einen Einzelfall. Jetzt tippen wir auf einen grundsätzlichen Schönheitsfehler, denn auch die Luxury-Sitzbank verriegelt nur mit viel Nachdruck. Die Bank selbst ist stark gestuft, so dass der Fahrer eine prima Stütze am unteren Rücken verspürt; eingeengt fühlt sich ein durchschnittlich großer Fahrer nicht, weil der Fußraum sehr großzügig ausfällt. Kein Wunder angesichts fast 100-prozentig mit seinem BMW-Pendant übereinstimmender Maße. Während am Vorgänger selbst bei guten Grip noch häufig die Traktionskontrolle tätig wurde, tritt dieses Phänomen bei diesem Testfahrzeug seltener auf. Möglicherweise wurde die Elektronik überarbeitet. Auf einer Rollsplitt-Etappe waren wir jedenfalls voll zufrieden mit dem System.

Die Ausstattung des Voge ist mit Griff- und Sitzheizung umfangreicher als zuvor; die Betätigungstasten dafür liegen griffgünstig in Lenkermitte, von wo aus auch die Windschildverstellung gesteuert wird.  Weiterhin gibt es ein großes, in zwei Styles einstellbares TFT-Display, ein vollständiges LED-Licht mit Abbiegelicht, die Reifendruckanzeige und einen Tank mit 300 km-Radius sowie die Smartphone Connectivity. Die Kamera in der Fahrzeugfront ist ein Gimmick, dessen Nutzen und Bedienung sich uns nicht erschlossen hat; aber vielleicht braucht man das ja in China. Mit Gewissheit nützlich ist jedoch das vollwertige Keyless-System, das sogar die Tankklappe umfasst. Auch eine Feststellbremse, eine Stauraum-Beleuchtung, abgewinkelte Reifenventile und einen gut bedienbaren Hauptständer gibt es. Bis auf eine automatische Blinkerrückstellung ist also alles serienmäßig dran und drin, was bei den Kraftrollern machbar und angenehm ist.

Angesichts der umfangreichen Ausstattung des Voge und seines relativ günstigen Preises lag die Frage an BMW nahe, ob der Bau des BMW-Scooters bei Loncin denn noch vorteilhaft sei. „Wir müssen sicherlich die eine oder andere Kooperation mit fernöstlichen Herstellern überdenken und gegebenenfalls neu bewerten“, lautete die Antwort aus München. Dass BMW von Loncin mit dem SR4 MAX 350 Luxury quasi rechts überholt wird, kann den Voge-Kunden recht sein, BMW natürlich nicht. Aber zum Glück für die Bayern ist der Wiederverkauf des Voge schwer kalkulierbar. Außerdem: Ein Nachfolgemodell für den C 400 GT mit Verbrennungsmotor wird es ohnehin nicht geben, was den Konflikt irgendwann automatisch beendet.



Technische Daten Voge SR4 MAX 350 Luxury
Motor:  Flüssigkeitsgekühlter Einzylinder-Viertaktmotor, 4 Ventile, OHC, 350 ccm Hubraum, 25 kW/34 PS bei 7.500 U/min., 35 Nm bei 6.000 U/min; Einspritzung, Fliehkraftkupplung, stufenloses CVT-Getriebe, Riemenantrieb
Fahrwerk: Stahl-Gitterrohrrahmen; vorne Telegabel ø 3,5 cm, 11,2 cm Federweg; Leichtmetall-Zweiarmschwinge, zwei Federbeine, Vorspannung einstellbar, 12,7 cm Federweg; Aluminiumgussräder; schlauchlose Reifen 120/70 ZR 15 (vorne) und 150/70 ZR 14 (hinten). 26,5 cm Doppelscheibenbremse vorne, 26,5 cm Einscheibenbremse hinten
Assistenzsysteme: Zweikreis-ABS, Traktionskontrolle, volle Konnektivität mittels Smartphone
Maße und Gewichte: Radstand 1,565 m, Sitzhöhe 78 cm, Gewicht fahrfertig 214 kg, Zuladung 201 kg; Tankinhalt 12,8 Liter
Fahrleistungen: Höchstgeschwindigkeit 129 km/h, Normverbrauch lt. EU5 3,6 l/100 km, Testverbrauch 3,7 l/100 km
Farben: Weiß, Schwarz
Preis: ab 6.400 Euro

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