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Die Verge TS macht einiges anders

11Die Verge TS macht einiges anders
Verge TS. Foto: Autoren-Union Mobilität/Verge

Es ist sicher nicht die beste Idee, ein Superbike mitten in der Großstadt vorzustellen. Und auch nicht viel besser, ein noch nicht final konfiguriertes Exemplar zu nehmen. Aller Anfang ist schwer. Und wird es für das junge Unternehmen Verge wohl zunächst auch bleiben, denn noch bewegt sich der Markt für Elektromotorräder auf homöopathischen Niveau. Dennoch, das Ergebnis kann sich sehen lassen und beeindruckt.

Da ist zunächst einmal das extrem hohe Drehmoment. Beim Topmodell TS Ultra - nomen est omen - sind es 1200 Newtonmeter. Dagegen wirkt die ebenfalls üppige Leistung von 150 kW (204 PS) beinahe schon bescheiden aus. Die Angabe von zweieinhalb Sekunden für den Sprint aus dem Stand auf Tempo 100 sind ebenfalls eine Ansage. Das will aber auch mir rund 55.000 Euro teuer bezahlt werden.

Jeweils eine Nummer kleiner haben es die Versionen TS Pro und TS mit 102 kW (139 PS), 1000 Nm und dreieinhalb Sekunden sowie 80 kW (109 PS), immer noch stolzen 700 Nm und viereinhalb Sekunden für den Standardspurt. Der Preis bewegt sich dann um die 33.000 Euro bis 36.600 Euro. Die Höchstgeschwindigkeit wird mit 180 km/h und 200 km/h bei der Ultra angegeben. Als Reichweiten nennt Verge je nach Modell zwischen 250 und 375 Kilometer. Die Angaben beziehen sich allerdings auf Stadtfahrten. 100 bis 150 Kilometer dürfte man da wohl auf Überlandfahrt abziehen, wie Presseansprechpartner Daniel Taipale zumindest für das mittlere Modell mit angegeben 350 Kilometern einräumt. Versprochen werden Schnellladezeiten von 25, 35 und 55 Minuten (Ultra, TS Pro und TS). Die Ultra kommt mit einer 21,8 kWh großen Batterie daher, die anderen beiden haben 20,2 Kilowattstunden.

Heraus sticht auf jeden Fall der Antrieb. Die Verge hat einen Felgenmotor, der rechtsseitig montiert ist und mit drei Kabeln an die Batterie und die Steuerungselektronik angeschlossen ist. Das Rad dreht sich um die feststehende Carbon-Felge, die mit vier Streben am Rahmen befestigt ist. Zweite ungewöhnliche Lösung. Der Fahrer hat zwei Paar Fußrasten: Die vorderen für entspanntes Cruisen und die hinten fürs sportive Fahren. Letztere dienen gleichzeitig auch als Soziusrasten bei der Fahrt zu zweit.

Im Zentrum der Konstruktion steht wie bei allen Elektromotorrädern auch bei der Verge ein mächtiges Batteriepaket, das hier mit einer Blende verkleidet wird. Und die Tankattrappe dient hier nicht als zusätzliches Staufach, sondern nimmt neben den beiden Ladeansschlüssen auf der Oberseite einen größeren Touchscreen auf. Mit ihm lassen sich neben diversen Fahrinformationen etwa zur Batterie zum Beispiel auch die vier Fahrmodi Range, Zen (Komfort), Beast und Custom einstellen. Daneben gibt es ein schmales Display an gewohnter Stelle am Lenker, das die Geschwindigkeit, die gefahrenen Kilometer und die Uhrzeit angibt.

Bei einer kurzen Vorstellung in Berlin diese Woche stand nur ein Musterexemplar der ersten Entwicklungsgeneration zur Verfügung, das weder ein funktionsfähiges Display noch eine andere Fahrstufe als Zen erlaubte. Und es blieb bei einer kurzen Ausfahrt im Stadtverkehr. Der erste Eindruck: Der Felgenantrieb arbeitet dank fehlender weiterer Komponenten absolut unauffällig. Der Fahrer spürt mechanisch davon gar nichts. Die sanfte und gut dosierbare Leistungsannahme überfordert zumindest in der Komfortstufe auch unerfahrenere Fahrer nicht. Von Hause aus rollt die Verge auf Pirelli Rosso III.

Kurzbeinigen dürften die vorderen Fußrasten auf Dauer etwas unbequem sein, dafür passt es hinten umso besser. Die Brembo-Bremsen fühlen sich extrem synthetisch an und sprechen auch etwas zu früh an. Aber ohnehin verzögert die Verge viel über die Rekuperation. Auffällig ist der sehr tiefe Schwerpunkt mit dem leichten Vorderbau. So wird die TS vor allem über den Lenker und weniger über Körperdruck zum Richtungswechsel bewegt, folgt aber willig dem Befehl und spielt damit vor allem in der Stadt eine Wendig- und Handlichkeit aus, die man der 245 Kilogramm schweren Maschine gar nicht zugetraut hätte. Und den Zulassungsbehörden nicht, dass sie die Mini-Blinker der Verge, die allenfalls einen Durchmesser von einem Zentimeter haben, genehmigt haben. Sie kommen aus China und sind eines der ganz wenigen Teile, die nicht aus europäischer Fertigung stammen, wie man bei Verge stolz betont.

Verge ist ein finnisches Unternehmen, das in Estland produziert und stationiert ist. An den Mann und die Frau gebracht werden sollen die Elektromotorräder ausschließlich im Direktvertrieb. Einzig notwendige Servicearbeiten sind - dank des Felgenantriebs - nur der turnusmäßige Wechsel der Bremsflüssigkeit und der Reifen. Beides kann jede Motorradwerkstatt erledigen. Bei größeren Problemen verspricht Verge einen versierten Techniker vor Ort binnen längstens 48 Stunden.

Derzeit ist Verge in verschiedenen Städten auf Europa-Tournee, um für sich zu werben und bietet auch kurze Probefahrten an. Stationen sind in Deutschland Hamburg (29.-30.3.) und Bremen (31.3.) sowie in der Schweiz Zürich (25.4.), Luzern (27.4.) und Genf (1.5.). Dazwischen gibt es Termine in den Niederlanden, Belgien und Luxemburg. (cen/Jens Riedel)

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