Kindersicherheit im Auto - Richtig sichern

Das Anschnallen der Kinder im Auto ist mittlerweile selbstverständlich, ein Problem ist jedoch die falsche Nutzung von Kindersitzen.

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Beim Anschnallen muss der Fünf-Punkt-Gurt straff angezogen werden Foto: Maxi Cosi

28.005 Kinder verunglückten 2019 im Straßenverkehr, mehr als jedes Dritte in einem Pkw. Schon bei einem mittelschweren Verkehrsunfall mit etwa 50 km/h wirken Kräfte auf das Kind, die dem 50-fachen seines Körpergewichtes entsprechen, warnen die Unfallforscher der Sachverständigen-Organisation Dekra. Daher ist es nicht nur gesetzlich vorgeschrieben, sondern auch sinnvoll, dass Kinder im Auto in einem geeigneten Kindersitz transportiert werden

Sitzeinbau und Anschnallen bergen Fehlerpotenziale, insbesondere für diejenigen, die die Handgriffe nicht regelmäßig vornehmen. Rund die Hälfte aller Kinder unter zwölf Jahren sind im Auto nicht richtig gesichert, so eine zuletzt 2016/2017 durchgeführte Untersuchung der Unfallforschung der Versicherer (UDV). 60 Prozent davon sogar so, dass sie im Falle eines Unfalls schwerste Verletzungen davontragen könnten.

Der unübersichtliche Markt der Rückhaltesysteme, verschiedene EU-Normen und unterschiedliche Sicherungskonzepte der Hersteller machen es nicht leicht, sich zurechtzufinden. Gleichzeitig sind Eltern und Großeltern auch nach dem Kauf bei jeder Fahrt in der Pflicht, den Sprössling nach allen Regeln der Kunst zu sichern: Mittlerweile sehen Unfallforscher das Hauptproblem im Zusammenhang mit der Nutzung von Kindersitzen in deren falscher Nutzung.

Besonders häufig waren Fehler beim Einbau von Sitzen für Babys und Kleinkinder: ein zu lockerer Gurt bei der Befestigung des Kindersitzes, die Nichtbenutzung der Führungshilfen für den Gurt und das Vertauschen von Becken- und Schultergurt. ,,Bei der Babyschale beispielsweise kann man den Gurt komplett falsch führen und es sieht trotzdem gut aus", warnt der Leiter der UDV, Siegfried Brockmann. Bei einem Unfall kann sich ein falsch befestigter Sitz aus dem Gurt lösen. Der Unfallforscher appelliert an Kindersitzhersteller, Erklärvideos zur Verfügung zu stellen, aber auch an Eltern, Gelegenheitsnutzer wie Großeltern richtig einzuweisen. Weiterer typischer Fehler: Nicht straff genug angezogene Hosenträgergurte des Kindersitzes. Bei Sitzen, bei denen der Autogurt zum Anschnallen genutzt wird, war das häufigste Problem ein verdrehter oder lockerer Becken- oder Schultergurt. Auch typisch und falsch: der unter den Arm geklemmte Schultergurt.

Kurze Fahrten bis zu 10 Minuten führten laut Studie zu deutlich mehr Fehlern als längere Fahrten. ,,Die eine Hälfte der Falschnutzer ist sich nicht bewusst, dass sie einen Fehler gemacht hat, vermutlich machen sie es nicht so oft", so Brockmann. Die andere Hälfte jedoch wolle für eine kurze Fahrt keine Diskussion mit den Kindern führen. ,,Aber: Auch auf kurzer Strecke kann was passieren."

Befestigt werden Kindersitze entweder mit dem Autogurt oder an der Fahrzeugkarosserie mit Isofix, einem simplen, aber sicheren Stecksystem, mit dem neuere Fahrzeuge ausgestattet sind. In der Studie stellte die Unfallforschung der Versicherer deutlich weniger Fehlgebrauch beim Einbau fest, wenn die Sitze mit Isofix befestigt wurden. Die meisten Autos der vergangenen zehn Jahre haben Isofix-Befestigungsösen an Bord, Neuwagen sowieso.
Kinder bis zum 12. Lebensjahr bzw. bis zu einer Körpergröße von 150 cm müssen seit 1993 nach § 21 Absatz 1a StVO im Auto mit einem geeigneten Kindersitz gesichert sein. Der Fahrer trägt die Verantwortung für deren korrekte Sicherung.
Neuste Kindersitze sind nach der europäischen Norm i-Size (ECE 129) zugelassen, unter anderem müssen sie für die Zulassung genauere Crashtests absolvieren; ältere nach ECE 44/03 und 44/04 sind weiterhin erlaubt. Erfolgte die Einteilung früher nach Gewicht des Kindes in Klassen, geht es bei i-Size nach Größe, außerdem legen die Hersteller die Bereiche nun selbst fest. Eine Recherche vor dem Kauf ist unvermeidlich; Orientierung bieten auch aktuelle Testurteile, zum Beispiel von Stiftung Warentest.
Babyschalen müssen immer entgegen der Fahrtrichtung befestigt werden. Bisher steigen die meisten Eltern in Deutschland nach dem ersten Lebensjahr auf vorwärtsgerichtete Sitze um; immer beliebter werden aber die so genannten Reboarder, Kindersitze, die rückwärts zur Fahrtrichtung eingebaut werden.

Unfallforscher sind sich einig: Rückwärtsfahren bietet die größtmögliche Sicherheit für Kleinkinder. In den neueren i-Size Kindersitzen dürfen Kinder bis zu 15 Monaten nicht in Fahrtrichtung transportiert werden. Viele Experten empfehlen das rückwärtsgerichtete Fahren noch länger: die Unfallforschung der Versicherer spricht von mindestens 18 Monaten, der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) nennt etwa 18 Kilo, das entspricht einem Alter von etwa vier Jahren.

Der Grund: Bei den besonders gefährlichen, weil oft mit hohen Geschwindigkeiten passierenden Frontalkollisionen ist das Kind in einem rückwärtsgerichteten Kindersitz besser geschützt. Bei einem Frontalaufprall schleudert der Kopf mit großer Wucht nach vorne. Sitzt das Kind jedoch mit Blickrichtung nach hinten, wird der Kopf bei einem Frontalaufprall gegen die Rückenlehne des Sitzes gepresst, was den Nacken entlastet. ,,Die am stärksten gefährdete Körperpartie bei einem Kind ist der Nacken", sagt Biomechanikerin Lotta Jakobsson, Vorsitzende der internationalen ISO-Arbeitsgruppe für Kinderrückhaltesysteme und Volvo-Sicherheitsbeauftragte. Sie empfiehlt ebenfalls das Rückwärtsfahren bis zum Alter von drei bis vier Jahren.

Von ab dem Kindergartenalter nutzbaren Sitzen mit Fangkörper, bei denen ein vor den Bauch geschnalltes und mit dem Dreipunktgurt fixiertes Kissen als Rückhalt dient, hält Expertin Jacobsson nichts. Weil der Gurt nicht über die Schulter verläuft, sei der Oberkörper nicht gesichert, bei einem Crash pendeln Brustkorb und Kopf ungebremst nach vorne. Außerdem müsse der weiche Bauch des Kindes die Aufprallenergie aufnehmen, was zu Verletzungen der inneren Organe führen könne.
Ebenfalls umstritten sind reine Sitzkissen, die für ältere Kinder zulässig sind. In einem Test des ADAC zeigten reine Sitzerhöhungen ohne Rückenteil eine geringere Schutzwirkung bei Seitenaufprall, weshalb die Experten sie lediglich als Notfall-Option empfehlen. Etwa, um spontan Kinder mitzunehmen. Besser, vor allem in Sachen Seitenaufprallschutz, sei ein Sitz mit Rückenlehne und Seitenpolstern, sagt Unfallforscher Brockmann.

Darauf sollte man beim Einbau und Anschnallen achten:
- Kindersitz nach Bedienungsanleitung montieren; Isofix muss mit Klick einrasten; Sicherheitsgurt sehr straff ziehen
- Fünf-Punkt-Gurte des Kindersitzes müssen korrekt verlaufen, eng anliegen und dürfen nicht verdreht sein; Faustregel: zwischen Gurt und Körper passen maximal zwei Finger
- Ist das Kind mit dem normalen Sicherheitsgurt gesichert, wird dieser stramm gezogen, er darf nicht unter den Arm geklemmt werden; beim Beckenteil des Gurtes darauf achten, dass er durch die ,,Hörnchen" des Kindersitzes verläuft
- dicke Jacke ausziehen, sie vermindert die Schutzwirkung
Mehr Tipps in der Broschüre ,,Geschnallt" des DVR: t1p.de/be99

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