Test: Kymco CV3 - Luxus-Dreirad aus Taiwan

Der Kymco CV3 setzt mit einem Zweizylindermotor und sehr gelungener Neigetechnik ein bemerkenswertes Ausrufezeichen.

7Test: Kymco CV3 - Luxus-Dreirad aus Taiwan
Der Kymco CV3 verfügt über Neigetechnik Foto: fbn

Der taiwanesische Zweiradhersteller Kymco lässt aufhorchen. Zumindest jene, die ein Faible haben für gute Motorisierung im Segment der mit dem Führerschein B ab 21 Jahren fahrbaren Dreiradroller. CV3 heißt das vollkommen neu entwickelte Mobil mit Neigetechnik der Vorderräder; angetrieben wird es als einziges Fahrzeug dieser Kategorie von einem Zweizylindermotor. Der 550 Kubikzentimeter große Reihentwin leistet stramme 37,5 kW/51 PS und beschleunigt das immerhin 282 Kilogramm schwere Gefährt bei Bedarf auf bemerkenswerte 158 km/h. Damit ist der CV3 klarer Leistungsprimus vor dem Piaggio MP3 530, der erst im vergangenen Jahr präsentiert worden ist; preislich liegt der Kymco CV3 mit 13.950 Euro allerdings mit an vorderster Front.

Das Antriebsaggregat für den CV3 entnimmt Kymco dem ersten Zweizylinder-Scooter der Taiwaner, dem AK 550i. Der Twin zeigt sich auch im CV3 als sehr animierender Motor; charakterstark vermeldet er seine Potenz, ohne aber als laut empfunden zu werden. Die prächtige Leistungsentwicklung sowie die ausgezeichnete Gasannahme verführen in Kombination mit der satten Straßenlage zu zügiger Fortbewegung. Dabei flitzt die Drehzahlmesseranzeige im Cockpit flott bergauf, bis das stufenlose CVT-Getriebe die Drehzahl im Bereich des maximalen Wirkungsgrads des Motors um die 6.000 Touren fixiert und den Scooter kräftig vorwärts drückt.

Das gerne gewählte flotte Tempo ist nicht alleine eine Folge des starken Antriebs, sondern auch des guten Fahrwerks. Der Dreiradler legt sich sanft und fast mühelos in die Kurve; nur bei geringem Tempo ist etwas mehr Druck am Lenker erforderlich. Nach etwa einer Stunde fröhlicher Fahrt ist das dritte Rad meist schon vergessen; erst bei Schritttempo tritt es wieder ins Bewusstsein. In schnell gefahrenen Kurven ist es möglich, den CV3 an die mit 40 Grad angegebene Schräglagenfreiheit voll auszureizen; instabil wird das Fahrzeug dabei nicht. Insgesamt vermittelt es ein hohes Sicherheitsgefühl. Auch bei vollkommen nasser Fahrbahn hält das gute Gefühl am Lenker weit länger an als bei einem konventionellen Roller.

Obwohl der Kymco CV3 auf kurvenreichen Landstraßen eine ernsthafte Konkurrenz zu flott gefahrenen Motorrädern darstellen kann, ist er keineswegs unkomfortabel. Die Federelemente sprechen ordentlich an, Rühren um Hoch- oder Längsachse trat auf den mehr als 2.000 Kilometern Teststrecke nicht auf. Die drei Scheibenbremsen überzeugen in punkto Wirksamkeit und Dosierbarkeit; am stärksten ist die Wirkung beim Tritt auf die Fußbremse, die alle drei Scheiben zugleich aktiviert. Allerdings drängt der CV3 in Schräglage beim Verzögern der Vorderräder spürbar in Richtung Kurvenaußenrand.

Lange Distanzen sind aber nur komfortabel möglich, wenn man nicht größer als 1,75 Meter ist. Denn der Raum für den Fahrer ist begrenzt; sowohl der Fußraum ist sparsam bemessen als auch die Sitzfläche. Sie ist nach hinten durch eine kräftige Rückenlehne stark eingeschränkt. Was anfangs kommod erscheint, wird auf der Langstrecke lästig. Vorteilhaft ist der elektrisch verstellbare Windschild. Gut ist die Unterbringung der Sozia, für die es ebenfalls eine gut gestylte Sissybar sowie sehr gute Haltegriffe gibt. Sparsam fällt wegen des großen, zwischen den Rädern eingebauten Motors auch der Untersitz-Stauraum aus; nicht alle Helme finden darin Platz. Geöffnet wird der nach vorne öffnende Sitz dank des Keyless-Systems auf Tastendruck. Auf längeren Fahrten haben wir ein Ablagefach im Cockpit vermisst. Der 15,5 Liter fassende Tank liegt zentral; befüllt wird er bei aufgeklapptem Fahrersitz. Wer nicht permanent ,,volle Kanne" unterwegs ist, schafft 300 Kilometer, ohne nachzutanken. Die Reservewarnung fällt arg dezent aus; eine zusätzliche gelbe Warnleuchte wäre nicht falsch. Dafür verdient der sehr gut wahrnehmbare Blinkertacker ein Sonderlob. Die mechanische Feststellbremse links am Lenker ist bestens bedienbar.

Wiewohl die links im Zentralinstrument platzierten digitalen TFT-Cockpitanzeigen klar gezeichnet sind und reichlich Informationen bereithalten, leidet ihre Ablesbarkeit unter starken Spiegelungen. Kommt die Sonne direkt von hinten, erscheinen die Anzeigen sehr deutlich. Auf dem Rundinstrument rechts werden die von der Kymco-App auf dem gekoppelten Smartphone bereitgestellten Daten oder auch die Route dargestellt. Schade, dass nur eine der Kymco-Straßenkarten kostenfrei heruntergeladen werden kann; weitere sind recht teuer. Google Maps kann nicht eingespiegelt werden. Praktisch ist der Taster zum Ein- und Ausschalten der Zündung in Lenkermitte. Sehr leicht schaltet man allerdings versehentlich die Warnblinkanlage an. Prima bedienbar ist die Verriegelung der Neigetechnik; ab etwa Tempo 5 ist das auch im Heranrollen an eine rote Ampel möglich, sodass man dann beim Stehen die Füße auf den Trittbrettern lassen kann. Beim Gasgeben löst sich die Neigetechnik-Sperre automatisch.

Abgestellt wird der CV3 entweder mit verriegelter Neigetechnik und aktivierter Feststellbremse auf seinen drei Rädern stehend oder aber man hievt ihn auf den Hauptständer; das funktioniert mit akzeptablem Kraftaufwand.

Antrieb und Fahreigenschaften begeistern insbesondere auf Land- und Bergstraßen, überzeugen aber auch auf der Autobahn sowie im Stadtverkehr. Weniger eindeutig ist die Bewertung der Praxistauglichkeit; mit etwas geringem Raumangebot, mäßigem Abblendlicht bei zügiger Nachtfahrt und den stark spiegelnden Instrumenten hat sich doch ein gewisses Verbesserungspotenzial gezeigt. Sehr nützlich kann der mit einem recht guten Wetterschutz aufwartende Kymco CV3 für Pendler auf dem Arbeitsweg sein, wenn dieser auch Autobahnen oder Schnellstraßen enthält; souveräner - auch bei Regen - ist kaum ein anderer Roller fahrbar. Das Vergnügen, den Technik-Spitzenreiter zu fahren, ist mit 13.950 Euro allerdings auch nicht gerade günstig.



Technische Daten Kymco CV3
Motor:  Flüssigkeitsgekühlter Zweizylinder-Reihenmotor, 8 Ventile, DOHC, 550 ccm Hubraum, 37,5 kW/51 PS bei 7.500 U/min., 52 Nm bei 5.750 U/min; Einspritzung, Fliehkraftkupplung, CVT-Getriebe, Riemenanantrieb

Fahrwerk: Aluminiumgussrahmen; vorne Parallelogramm-Aufhängung mit doppelten Gabeln (Neigetechnik, verriegelbar), Federweg k.A.; hinten Leichtmetall-Zweiarmschwinge, liegendes Zentralfederbein (Vorspannung einstellbar), Federweg k.A.;  Aluminiumgussräder; Reifen 110/70-13 (vorne) und 160/60-15 (hinten). Kombinations-Bremssystem mit ABS, 25 cm Doppelscheibenbremse vorne, 26 cm Einscheibenbremse hinten.

Assistenzsysteme: ABS, zwei Fahrmodi (Normal, Rain 25 kW/34 PS) bei 6.500/min., 47 Nm bei 4.500/min.), Tempomat, Keyless-System, Reifendruck-Kontrollsystem

Ausstattung: Höhenverstellbarer Windschild, Bluetooth-Konnektivität incl. Navigation über App, Heizgriffe, Bordsteckdose (12 V u. USB), LED-Beleuchtung rundum incl. Tagfahrlicht  

Maße und Gewichte: Radstand 1,58 m, Sitzhöhe 79,5 cm, Gewicht fahrfertig 282 kg, zul. Gesamtgewicht 447 kg, Zuladung 165 kg; Tankinhalt 15,5 Liter

Fahrleistungen: Höchstgeschwindigkeit 158 km/h (Rainmode: 140 km/h), 0-100 km/h ca.5 sec. Standgeräusch 93 dB(A), Normverbrauch lt. EU5 4,8 l/100 km, Testverbrauch im Mittel 4,7 kl/100 km, Werte zwischen 4,1 bis 5,3 Liter/100 km (E5).

Farben:  Grünmetallic matt, Schwarzmetallic matt

Preis: 13.949 Euro

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