Fahrbericht: KTM 890 Adventure - Zwischen Waldweg-Wanderung und Wüste

KTM hat seine Reiseenduro 890 Adventure einer gründlichen Überarbeitung unterzogen. Das hat nicht geschadet.

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Die Schluckfreudigkeit der in der Dämpfung einstellbaren 43-cm-USD-Gabel wie des in zwei Parametern einstellbaren Federbeins überzeugt selbst bei forciertem Einsatz Foto: KTM/Franceso Montero

Nach vier Jahren auf dem Markt war die Zeit reif, die KTM 890 Adventure auf ein höheres Niveau zu bringen. Die Änderungen betreffen die Karosserie, dazu gibt es neue Sitze, neue Federelemente, eine deutlich verbesserte Elektronik und eine optimierte Aerodynamik. Nichts davon macht dieses Motorrad schneller, alles dient der besseren, komfortableren Handhabung.  

Unübersehbar an der KTM 890 Adventure ist vor allem der neue Windschild; ähnlich wie bei den Rallye-Bikes der Marke steht er sehr steil. Auffällig ist daran vor allem das übergroße ,,Guckloch", das aerodynamisch sehr willkommen ist: Wir konnten keine Turbulenzen am Helm feststellen. Ob und wieviel Wasser es bei Regenfahrten zum Piloten durchlässt, konnten wir nicht ergründen. Dafür lernten wir bei nur 7 Grad Temperatur die dreistufige Griffheizung schätzen; noch lieber wäre es uns freilich, wenn ihre Betätigung statt über das Bordcomputermenü mittels Direktzugriff am Lenker möglich wäre. Was auch für die Wahl des Fahrmodus gilt. Auch dazu muss man ins Menü. Zwar ist dieser Punkt recht leicht erreichbar, aber insbesondere bei häufigem Wechsel des Untergrunds wäre der Druck eines einzigen Tasters einfacher.

Wobei festzuhalten ist: So gut bedienbar wie das Menü der 890 Adventure war noch kein anderes KTM-Bordcomputermenü. Die Hauptgruppen sind logisch gruppiert und deshalb gut zu finden; damit lässt sich der Menüaufbau leicht erlernen. Erfreulich ist, dass die Wahl des Offroad-Fahrmodus die dazu passende ABS-Einstellung (Offroad-ABS) neuerdings gleich mitliefert. Zudem ist die Ablesbarkeit des neuen 5,5 Zoll-TFT-Displays mit neuer, sehr klar strukturierter Bedienoberfläche ausgezeichnet.

Gefeilt haben die KTM-Entwickler auch an den beiden Sitzen; der vordere ist weiterhin um 2 Zentimeter höhenverstellbar, aber sein Niveau konnte um einen Zentimeter auf nunmehr 84/86 Zentimeter abgesenkt werden, was dem Bodenkontakt förderlich ist. Die Polsterung überzeugt. Volle Zustimmung finden auch die neuen Federelemente; zwar ist der Federweg mit 20 Zentimetern unverändert, doch ist ihre Abstimmung modifiziert worden und ihre Einstellmöglichkeiten sind umfangreicher. Die Schluckfreudigkeit der in der Dämpfung einstellbaren 43-cm-USD-Gabel wie des in zwei Parametern einstellbaren Federbeins überzeugt selbst bei forciertem Einsatz. Der von KTM gewählte Reifendurchmesser von 21 Zoll vorne und 18 Zoll hinten erwies sich, wie stets, als vorteilhaft.

Nichts Neues ist vom 889 Kubikzentimeter großen Zweizylindermotor der KTM zu melden: Der 77 kW/105 PS leistende Twin geht in allen drei Serien-Fahrprogrammen - Rain, Street, Offroad - bestens ans Gas, bietet einen breiten Nutzungsbereich von etwa 2.500 bis fast 9.000 Umdrehungen und geht bedacht mit dem Benzinvorrat um. Die 20 Liter verteilen sich ausgesprochen schwerpunktgünstig links und rechts vom Triebwerk; die einzigartige Tank-Konstruktion ist gleichzeitig stabil und schützt zudem die Fahrerstiefel vor Unbilden. Sehr umfangreich ist die Elektronik-Ausrüstung: Das ABS-Modul ist mit einem Sechsachsensensor verknüpft, so dass nicht nur das erwähnte Offroad-ABS, sondern auch Kurven-ABS vorhanden ist. Auf den ersten 1.500 Kilometern kann der Käufer alle Systeme (auch Rallye-Modus und Quickshifter) ausprobieren. Danach muss er eine Zuzahlung leisten, wenn er die gesamte Elektronikpalette auch weiterhin nutzen möchte.

Mit einem nach wie vor vergleichsweise niedrigen fahrfertigen Leergewicht von 215 Kilogramm bringt die KTM beste Voraussetzungen für einfache Fahrzeugbeherrschung mit. Die 890er hat zweifellos das gesamte Repertoire vom Endurowandern bis zum Wüsteneinsatz drauf. Und stellt natürlich ein echtes Zweipersonen-Motorrad dar.  Zur Individualisierung steht eine breite Palette an Zubehör bereit.

Allen, die meinen, dass das KTM-Konzept einer leichten Mittelklasse-Reiseenduro auch mit weniger als 105 PS funktioniert, bietet der Hersteller ab Frühjahr eine Alternative zur 890er: Dann erscheint nach einigen Jahren Pause die 790 Adventure wieder. Mit 100 Kubikzentimetern weniger Hubraum, zehn PS weniger (und auf Wunsch auch mit 35 kW/48 PS), ansonsten aber mit vollkommen identischer Ausstattung zum vermutlich deutlich niedrigeren Preis. Möglich macht dies die Produktion beim Kooperationspartner CF Moto in China. Der fertigt sämtliche Teile in eigener Regie bzw. ordert sie bei chinesischen Zulieferern. Alleine die höchst aufwändige Tankkonstruktion wird aus Europa zugeliefert. Mit seinem doppelgleisigen Vorgehen will KTM sowohl den oberen Rand der Reiseenduro-Mittelklasse wie auch deren unteren Rand abdecken.



Technische Daten KTM 890 Adventure

Motor:  Flüssigkeitsgekühlter Zweizylinder-Reihenmotor, 8 Ventile, DOHC, 889 ccm Hubraum, 77 kW/105 PS bei 8.000/min., 100 Nm bei 6.500/min; Einspritzung, 6 Gänge, Kettenantrieb

Fahrwerk: Stahl-Brückenrahmen, Motor mittragend; vorne USD-Telegabel ø 43 mm , 20 cm Federweg (Zug- und Druckstufe einstellbar); Leichtmetall-Zweiarmschwinge, Zentralfederbein (Vorspannung  und Druckstufe einstellbar), 20 cm Federweg; Leichtmetall-Kreuzspeichenräder; schlauchlose Reifen Pirelli Scorpion Rally STR 90/90-21 (vorne) und 150/70-18 (hinten). 32 cm Doppelscheibenbremse  mit Vierkolbenzangen vorne, 26 cm Einscheibenbremse mit Einkolbenzange hinten

Assistenzsysteme: Kurven-ABS, 3 Fahrmodi (Rain, Street, Offroad, optional zusätzlich Rallye), Traktionskontrolle, Antihopping-Kupplung; Quickshifter optional

Maße und Gewichte: Radstand 1,509 m, Bodenfreiheit 23,3 cm, Sitzhöhe 84/86 cm, Leergewicht fahrfertig 215 kg; Tankinhalt 20 Liter.

Fahrleistungen: Höchstgeschwindigkeit 200 km/h. Normverbrauch lt. EU5 4,5 l/100 km

Farben: Schwarz/Orange, Weiß/Orange

Lieferdatum: Frühjahr 2023

Preis: noch nicht bekannt

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