Test: Benelli Leoncino 800 Trail - Fahrspaß zum fairen Kurs

Die Benelli Leoncino 800 Trail ergänzt als Scrambler die schön gemachte Basis-Leoncino. Wir haben sie einem ersten Test unterzogen und wenig zu meckern gefunden.  

5Test: Benelli Leoncino 800 Trail  - Fahrspaß zum fairen Kurs
Die Benelli Leoncino 800 Trail ergänzt als Scrambler die schön gemachte Basis-Leoncino Foto: fbn

Benelli, vor 111 Jahren in Italien gegründeter Motorradhersteller, verbreitert seine Modellpalette derzeit mit großer Energie. Das Geld dafür stammt von der chinesischen QJ-Gruppe, welche die Marke vor über einem Dutzend Jahre übernommen hat. Der jüngste Beweis für den Expansionsdrang der Italo-Chinesen heißt Leoncino 800 Trail. Wie das Basismodell wird die Trail vom sehr lebendigen, 750er-Zweizylindermotor mit einer Leistung von 76 PS angetrieben. Über den Antrieb lässt sich nur Gutes sagen: Er steht offensichtlich bestens im Futter, animiert zu flottem Fahren, ohne dass er bei mittleren oder niedrigen Drehzahlen schwächlich wirken würde - ganz im Gegenteil! Ein feiner Zweizylinder-Reihenmotor, der auch mit der neuen, zweiflutigen und scramblerartig hoch verlegten Auspuffanlage markante Lebensäußerungen zeigt.  

Der Einbau eines 19 Zoll-Vorderrades mit Drahtspeichen statt des 17 Zoll-Alugussrades wirkt harmonisch. Zwar liegt das gesamte Fahrzeug rund drei Zentimeter höher, doch in Verbindung mit der kräftigen Reifenprofilierung wirkt die Trail optisch absolut stimmig. Das Plus an Bodenfreiheit, Federweg und Sitzhöhe stört die Linie kein bisschen. Nachteilig könnte das höhergelegte Fahrwerk freilich für jene sein, die mit 85 Zentimetern Sitzhöhe (Standardausführung 82 cm) nicht mehr zurechtkommen. Alle anderen werden keinen Grund zur Klage finden, denn der breite Lenker liegt bestens zur Hand, die Sitzposition ist entspannt und das Handling des Motorrads bei langsamer Fahrt und beim Rangieren ist nicht schlechter geworden. Das um 12 Kilogramm auf nun 234 Kilogramm angestiegene Leergewicht stört in der Praxis nicht.  

Das Design der Leoncino 800 Trail mit schwarzem Gitterrohrrahmen, dezent-matter Metalliclackierung, sehnigem Tank, markanter Frontmaske und charakterstarken LED-Beleuchtungseinheiten überzeugt auch in dieser Version. Kleinigkeiten wie der in den Lenker eingelaserte Markenname oder der seitlich am Rahmen angebrachte Leoncino-Schriftzug verraten Liebe zum Detail. Schön gestaltet ist auch der Tankverschluss. Gerne schaut man als Fahrer unterwegs auf das das große TFT-Display; es ist klar gegliedert, nicht überfrachtet und deshalb im Grunde sehr gut ablesbar. Noch besser wäre, wenn die Buchstaben und Zahlen ein wenig größer wären. Auch haben wir schon Displays gesehen, die bei praller Sonne einen besseren Kontrast bieten. Wir meckern hier allerdings auf schon recht hohem Niveau. Besser machen könnte Benelli die für Trail und Basismodell identische Bedienungsanleitung: Hoffentlich ist deren Überarbeitung bald abgeschlossen, denn die gegenwärtige Version ist ein Ärgernis: Unvollständig, verwirrend und teils irreführend.

Unterwegs sind diese kleinen Ärgernisse ohne jeden Belang. Der Zweizylinder-Twin ist ein charaktervoller, potenter und drehfreudiger Motor, dessen Entwicklung - wie auch die des gesamten Motorrads - am Firmensitz an der italienischen Adria erfolgt ist. Die Maximalleistung von 56 kW/76 PS fällt zwar erst bei 8.500 U/min. an, doch ist der nutzbare Bereich von 2.500 bis zum Einsetzen des Begrenzers bei knapp 10.000 Touren schön breit. Meistgenutzt ist die Region zwischen 3.000 und 7.000 Umdrehungen, wo der Motor bestens funktioniert. Ausgesprochen sparsam ist die Italo-Chinesin nicht: Wir brauchten bei zügiger, aber unhektischer Landstraßenfahrt 5,3 bis 6,0 Liter E10-Sprit für 100 Kilometer, die Reichweite des 15 Liter-Tanks liegt also nahe an 240 Kilometer.  

Mit dem Fahrverhalten kann man zufrieden sein. Die Stabilität in Kurven und auch geradeaus bei hohem Tempo überzeugt bei der Trail nicht weniger als bei der Basisausführung. Die Federungsabstimmung ist straff, Komfort wird geliefert, steht aber nicht im Vordergrund. Offroad ist die Trail nicht gerade eine Bergziege, aber selbst holprige Feld- und Waldwege können mit ihr leicht bezwungen werden. Die Scrambler-Erwartungen erfüllt sie. Auch in punkto Bremsen: Sie ankert gut, die Bremskraft ist nicht zu hoch. Mit Sozia hat der Spaß freilich schon bald ein Ende: Die Sitzbank ist für genussvolles Touren zu zweit einfach zu kurz.  

Wie schon die Standard-Leoncino hat uns auch die Trail-Version überzeugen können; sie bereitet viel Fahrspaß, ist zudem ansehnlich und individuell. Sowohl im Landstraßeneinsatz als auch auf leichten Strecken ohne Asphalt nimmt sie ihren Fahrer oder auch ihre Fahrerin schnell für sich ein. Dass sie mit geradeaus 9.000 Euro einen Tausender mehr kostet als die Standard-Version ist verständlich: Das veränderte Fahrwerk, die Drahtspeichenräder, die grobstolligen Reifen, die neue Auspuffanlage sind allesamt kostentreibend. Benelli hat, so scheint es, derzeit den Bogen raus. 



Technische Daten Benelli Leoncino 800 Trail

Motor:  Flüssigkeitsgekühlter Zweizylinder-Reihenmotor, 8 Ventile, DOHC, 754 ccm Hubraum, 56 kW/76 PS bei 8.500 U/min., 67 Nm bei 6.500 U/min; Einspritzung, 6 Gänge, Kettenantrieb.

Fahrwerk: Stahl-Gitterrohrrahmen; vorne USD-Telegabel ø 5 cm, 14,8 cm Federweg; Leichtmetall-Kastenschwinge, Zentralfederbein, Vorspannung einstellbar, 13 cm Federweg; Drahtspeichenräder; schlauchlose Reifen 120/70 R 19 (vorne) und 170/60 R17 (hinten). 32 cm Doppelscheibenbremse vorne, 26 cm Einscheibenbremse hinten.

Assistenzsysteme: ABS, zwei Fahrmodi, Antihopping-Kupplung.

Maße und Gewichte: Radstand 1,48 m, Sitzhöhe 85 cm, Gewicht fahrfertig 234 kg, Zuladung 183 kg; Tankinhalt 15 Liter.  

Fahrleistungen: Höchstgeschwindigkeit 190 km/h, 0-100 km/h ca.4 sec., Normverbrauch lt. EU5 4,9 l/100 km, Testverbrauch 5,3 bis 6,0 Liter/100 km (E10).

Farben: Grünmetallic, Graumetallic

Preis: ab 9.000 Euro  

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