Fahrbericht: Zero DSR/X - Kommt weiter als gedacht

Mit einem neuen Modell erweitert Zero sein Portfolio und zeigt dabei eine Reihe guter Ideen. Das Ladetempo bleibt eine Schwäche.

9Fahrbericht: Zero DSR/X - Kommt weiter als gedacht
Der US-Zweiradhersteller Zero, der ausschließlich elektrisch angetriebene Motorräder baut, hat das Crossovermodell DSR/X vorgestellt Foto: Zero

Der US-Zweiradhersteller Zero, der ausschließlich elektrisch angetriebene Motorräder baut, hat ein Crossovermodell vorgestellt: Die DSR/X ist zwar primär für den Einsatz auf asphaltierten Straßen gedacht, beherrscht aber dank entsprechender technischer Auslegung auch nicht asphaltierte Strecken.

Die Eckdaten klingen vielversprechend: Der Akku ist mit nutzbaren 15,2 kWh (brutto: 17,3 kWh) der größte, den Zero bislang entwickelt hat. Zusammen mit dem neuen E-Motor (Leistung 75 kW/102 PS, Drehmoment 225 Nm) und dem neuen Betriebssystem ist das Ganze gut für eine Normreichweite von 185 Kilometern, die Ladedauer von 0 auf 95 Prozent liegt bei zwei Stunden an einer Ladestation und zehn Stunden an der Haushaltssteckdose. Gegen Mehrpreis lässt sich das integrierte 6,6 kW-Ladegerät durch ein zweites ergänzen, das seinen Platz in einem 20 Liter-Staufach findet. Es wurde dort angeordnet, wo die meisten Verbrenner-Motorräder ihren Benzinvorrat spazieren fahren, nämlich direkt vor dem Fahrer. Das Staufach selbst ist ungemein praktisch; ein Teil davon bleibt glücklicherweise erhalten, wenn dort entweder der Zusatzlader oder aber ein Zusatzakku mit weiteren 3,6 kWh eingebaut wird. Gegen Mehrpreis, selbstverständlich.

Attraktiv klingen auch weitere wichtige Daten: Gewicht 247 Kilogramm, Zuladung 252 Kilo, Maximaltempo 180 km/h (abgeregelt). Die Beschleunigung ist elektrotypisch gewaltig, was angesichts eines Drehmoments von 225 Newtonmetern auch nicht verwundert. Trotz immerhin 190 Millimetern Federweg der voll einstellbaren Showa-Komponenten wird die Sitzhöhe mit lediglich 82 Zentimetern angegeben - ein vorteilhaft niedriger Wert, um unterschiedliche Staturen gut unterbringen zu können.

Nicht hundertprozentig passt die Form des Alu-Lenkers. Die Griffe sind so geformt, dass die Handgelenke nach einiger Zeit verspannen. Offenbar haben sich die Entwickler beim Lenker mehr an der Fahrerpositionierung im Geländebetrieb orientiert, wo man ja stehend unterwegs ist. Dieser Punkt sollte sich aber leicht entschärfen lassen.

Das Fahren mit der Zero DSR/X fällt leicht, denn sie ist gut austariert; Zero spricht von einer Gewichtsverteilung zwischen Vorder- und Hinterrad von 50:50. Den Schwerpunkt will Zero infolge des neuen Rahmens und des nach unten gerückten Akkus weiter abgesenkt haben. Die Eingewöhnungsphase ist kurz, schon nach wenigen Kurven tritt Wohlbefinden ein. Einlenken fällt leicht, die Spurhaltung in Schräglage ist einwandfrei, die Schräglagenfreiheit vollkommen ausreichend.

Sehr gut gelungen ist die Kultivierung des ungemein leistungsfähigen Antriebs. Die Kraftabgabe lässt sich am ,,Gasgriff" perfekt dosieren, so dass auch Wendemanöver auf schmaler Straße keine große Mühe machen. Dennoch ein großes Lob für die auf 5 km/h limitierte Rangierhilfe für Vorwärts- und Rückwärtsfahrt; sie ist sehr einfach bedienbar und schließt das nicht unbeträchtliche Risiko eines versehentlichen Fehlers am Potentiometer aus. Denn dann geht die DSR/X ab wie eine Rakete.

Elektronisch ist die Zero DSR/X voll auf der Höhe. Es gibt fünf Fahrmodi - Eco (mit extrem hoher Rekuperation), Standard, Sport, Rain und Canyon (mit ebenfalls sehr hoher Rekuperation), die sich einfach einstellen und auch während der Fahrt wechseln lassen. Hohen Fahrspaß vermittelte ,,Canyon"; volle Leistung und hohe Rekuperation ergänzen sich prächtig und führen zu genussvoller Dynamik, wobei der Verbrauch nicht übertrieben ansteigt. Bremsen muss man nicht sehr häufig. Wobei die Dreischeibenanlage einen prima Eindruck hinterließ: Die Frontbremse stellt eine ,,Einfingerbremse" dar und ist dennoch gut dosierbar. Die hintere Einzelscheibe agiert unauffällig wirksam. Das Bosch-Sicherheitspaket MSC mit schräglagenfähiger Traktionskontrolle, Kurven-ABS und Berganfahrhilfe ist tadellos adaptiert. Allerdings reicht bei einem Motorrad ohne Getriebe - der Zahnriemen liefert die Leistung direkt ans Hinterrad - eine elektronische Berganfahrhilfe nicht aus, denn sie löst sich nach einiger Zeit automatisch. Eine Abhilfe ist bereits in Arbeit.

Mit einem Preis ab 26.550 Euro ist die Zero DSR/X nicht billig. Das hat sie allerdings mit allen anderen E-Fahrzeugen - Motorrädern wie Autos - gemein. Sie erscheint funktional gelungen, gibt sich sehr zugänglich, ist extrem leistungsstark und zugleich leicht beherrschbar und überzeugt durch eine, mit Ausnahme des Lenkers, gelungene Ergonomie, guten Fahrkomfort samt ordentlichem Windschutz und einer guten bis sehr guten Ausstattung (TFT-Display, Konnektivität, Fahrmodi, Fahrassistenzsysteme etc.). Vieles (Staufach, USB-Buchsen, kleiner Stauraum unterm Sitz) ist ausgesprochen praxisgerecht und auch das Zubehör (Alu-Gepäcksystem, Karosserie- und Akku-Schutzbügel etc.) macht einen guten Eindruck. Die Gretchenfrage bleibt: Wie weit kommt man mit dem Motorrad in der Praxis wirklich? Sicher weiter, als bislang anzunehmen war, aber reicht das aus für weitere Reisen mit dem E-Motorrad?



echnische Daten Zero DSR/X:

Motor: Luftgekühlter bürstenloser Permanentmotor, Maximalleistung 75 kW/102 PS bei 3.650 U/min., Dauerleistung 36 kW/48 PS; 900 A Drei-Phasen-Controller mit regenerativem Bremssystem. Kraftübertragung durch kupplungslosen Direktantrieb ohne Schaltung; Sekundärantrieb durch Zahnriemen

Akku: Lithium-Ionen-Batterie, maximale Leistung 17,3 kWh, nutzbare Leistung 15,2 kWh; integriertes Ladegerät 6,6 kW; Ladezeit total 11,6 Stunden (Haushaltssteckdose), Ladesäule 2,7 Stunden, Ladezeit bis 95 %: 10 bzw. 2 Stunden.

Fahrwerk: Stahlgitterrohrrahmen; 47 mm USD-Gabel (voll einstellbar), Federweg 190 mm; hinten Zweiarmschwinge aus Leichtmetallguss, Zentralfederbein (voll einstellbar), 190 mm Federweg; 320 mm-Doppelscheibenbremse vorne, 265 mm-Einscheibenbremse hinten. Reifen Pirelli Scorpion Trail II, 120/70-19 vorne, 170/60-17 hinten

Assistenzsysteme: Kurven-ABS, dyn. Traktionskontrolle, Berganfahrhilfe, Rangierhilfe (vor- und rückwärts), fünf Fahrmodi, Offroad-Bremsmodus, Tempomat, Konnektivität

Maße und Gewichte: Radstand 1,525 m, Sitzhöhe 82,8 cm, Gewicht 247 kg, Zuladung 252 kg

Preis: ab 26.550 Euro; Zusatzakku (3,6 kWh) ab 2023 oder zusätzlicher Schnelllader ab 2023, Preise noch unbekannt.

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