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Sicherheit in der Formel 1: Maßnahmen, die Leben retten

Die vergangenen Jahrzehnte haben für den Rennsport enorme Fortschritte gebracht. Die Boliden wurden immer schneller, gleichzeitig aber auch sicherer. Der Neuseeländer Brandon Hartley ist 2018 mit heiler Haut davongekommen, als sein Wagen mit weit mehr als 200 km/h aus der Kurve sechs flog und in die Streckenbegrenzung krachte. 30 oder vielleicht nur 20 Jahre früher hätte sich der Rennsportler ernsthaft verletzt.

Sicherheit in der Formel 1: Maßnahmen, die Leben retten
@ randomwinner (CC0-Lizenz)/ pixabay.com

Noch Ende der 60er Jahre gehörten fatale Unfälle in der Formel 1 und anderen Motorsportdisziplinen zur traurigen Normalität. 1968 starben Mike Spence, Jim Clark, Jo Schlesser, Ludovico Scarfiotti und einige andere; moderne Sicherheitstechnik hätte ihnen allen wahrscheinlich das Leben gerettet.

Auch Streckenposten lebten früher viel gefährlicher als heute: Beim Italien GP 2000 in Monza kam es zu tödlichen Unfällen, ebenso wie beim Australien GP 2001 in Melbourne. In beiden Fällen waren herumfliegende Räder Schuld. Ein Rad wiegt etwa 20 kg, fliegt es unkontrolliert durch die Luft, wird es zum gefährlichen Geschoss. Der österreichische Rennfahrer Markus Höttinger wurde am Hockenheimring 1980 von solch einem Rad am Kopf getroffen.

Seit 1999 müssen die Räder von Formel-1-Autos mit Zylon-Seilen am Auto befestigt sein. Danach gab es noch einige Aussetzer, die dazu führten, dass mehr und stabilere Halteseile zum Einsatz kamen. Heute hält jedes einzelne Seil eine Kraft von 70 Kilonewton (7 Tonnen) zurück. Drei Halteseile sichern eine einzelne Radaufhängung, reißt eines davon, können die anderen beiden dessen Funktion übernehmen.

Vorsorge ist die beste Lösung, darum werden in der Formel 1 Materialprüfungen sehr ernst genommen. Dabei geht es nicht nur um mit dem bloßen Auge sichtbare Eigenschaften, sondern auch um Untersuchungen im mikrooptischen Bereich. Die REM Analyse, die Detailbetrachtung unter dem Rasterelektronenmikroskop, gehört mittlerweile fest zum Prozedere, wenn es darum geht, neue Materialien zum Einsatz zu bringen oder Qualitäten zu prüfen. Nur so können alle Beteiligten sichergehen, dass ein sicherheitsrelevantes Bauteil im Ernstfall hält, was es verspricht.

Der Datenschreiber gehört ebenfalls längst zum Formel-1-Alltag dazu. Der Accident Data Recorder befindet sich seit 1996 immer mit an Bord, wenn die Boliden auf die Strecke gehen. Sollte dann mal etwas passieren, kennen die Experten hinter den Kulissen die Abläufe des Unfalls innerhalb kurzer Zeit genau. Sie wissen, wo der Auslöser lag, welche Kräfte auf den Wagen und seinen Fahrer einwirkten und was direkt nach dem ersten Aufprall geschah. Die ersten 100 Millisekunden "danach" sind für die Spezialisten besonders interessant. Eines ist seit langem bekannt: Je kürzer ein Unfall, desto verheerender.

Vergleichsweise einfach, aber hocheffektiv ist die Nackenstütze, die aus 75 Millimeter Confor-Schaum an Kopf und Nacken des Fahrers besteht. Die Unfälle von Ratzenberger und Senna lösten die Verbesserung aus, die gleichzeitig mit einer Erhöhung der Cockpitwände in Kraft trat. Ja, leider muss es meistens erst zur Katastrophe kommen, bevor tiefgreifende Veränderungen wie diese geschehen. Danach wurde die Nackenstütze regelmäßig zum Lebensretter, zum Beispiel 2007, als Robert Kubica einen ähnlichen Unfall wie Senna erlitt – und unverletzt blieb. 

Mika Häkkinens Schädelbasisbruch 1995 diente als Anlass, das Hans-System zu entwickeln. Dabei federt ein an einem Kragen befestigter Seilzug den Vorwärtsruck des Kopfes ab. Mercedes war an dieser Erfindung beteiligt. Hinzu kommt eine Lenksäule, die sich bei einem Aufprall zusammenstaucht. Ein Kopf-Lenkrad-Kontakt wird mit beiden Maßnahmen unterbunden.

Manche Ideen für Sicherheitsmaßnahmen stammen aus Simulationen. So führten Penetrationsstudien, die einen McLaren seitlich auf einen Toyota auftreffen ließen, dazu, dass die Boliden eine neue, sechs Millimeter dicke Schutzhülle aus Zylon erhielten. Aus diesem Material bestehen auch schusssichere Westen. Zunächst kam der Stoff nur an besonders neuralgischen Stellen zur Anwendung, doch das reichte nicht.

James Hinchcliffe hätte 2015 von einer Komplettumhüllung profitieren können, als ein Stahl-Querlenker seine Beine durchdrang und ihn lebensgefährlich verletzte. Heute ist auch diese Gefahr dank Zylon weitgehend gebannt. Das Ende der Fahnenstange ist damit gewiss noch nicht erreicht, neue Ideen warten schon.

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