Panorama: Offroad-Tour durch Westpolen - Erstmal nur auf Bewährung

SUV? Darüber können sie hier nur lachen. Denn wer mit zur  Abenteuertour durch die Wälder Westpommerns will, der braucht schon einen echten Geländewagen. Selbst dem neuen Defender begegnet man mit Skepsis.

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Auf Abenteurtour ging es durch die Wälder Westpolens Foto: Benjamin Bessinger

Eine normale G-Klasse war ihm zu wenig. Für seine Abenteuerausflüge hat sich Hubsi deshalb lieber Portalachsen unter seinen panzergrünen Vierkant aus Graz geschraubt - ,,wegen der besseren Bodenfreiheit." Von den Reifen grob wie Zahnräder auf den weit auseinander gerückten Felgen und der Winde am Bug ganz zu schweigen. Denn Hubsi nimmt die Sache mit dem Geländewagen wörtlich und ist einer von rund einem Dutzend Menschen, die sich an diesem herbstlichen Wochenende durch die Wälder Westpolens kämpfen. Mit hartgesottenen Geländewagen wie dem Toyota Land Cruiser, dem Nissan Patrol, einem klassischen Land Rover und zwei Puchs aus der militärischen Großfamilie der G-Klasse im Schlepptau. Und dem neuen Defender, der hier allerdings nur auf Bewährung mitfahren darf. Während der Vorgänger über alle Zweifel erhaben war und sich in über 60 Jahren den Ruf eines Autos erworben hat, das überall durchkommt, haben die Petrolheads hier in Polen so ihre Zweifel an dem neumodischen Rechner auf Rädern, der im letzten Jahr die Nachfolge der Legende angetreten hat. Elektronisch geregelter Allradantrieb, Luftfederung und ein halbes Dutzend Fahrprogramme statt mechanischer Sperren und Startachsen? ,,Den schicken wir nach einem Tag wieder nach Hause ", sagt Elmar mit einem leicht genervten Kopfschütteln, bevor er in seinen klapprigen Toyota steigt.

Und Elmars Wort ist hier Gesetz. Schließlich ist er der Guide auf einer Tour, für die alle anderen dem Veranstalter Abenteuer 4x4 knapp 1.000 Euro pro Team überwiesen haben. Deshalb stauen sich jetzt ein Dutzend Dreckskarren mit ihren nicht minder schmutzigen Fahrern im nirgendwo zwischen Stettin und Walcz und sind gespannt, welche Abenteuer da auf sie zu kommen. Und die beginnen keine 500 Meter, nachdem der Tross die Hauptstraße verlassen hat. Kaum vom Asphalt runter, endet auch der Schotter; die Truppe steht im mannshohen Gebüsch und kämpft sich durch eine feuchte Weise. Oder versucht es zumindest. Denn noch ehe die erste Stunde verstrichen ist, springen die ersten Teilnehmer in den knietiefen Schlamm, nesteln Seile aus ihrer Winde und schleppen sich mit eigener Kraft wieder zurück auf festes Terrain - und ja, auch der neue Defender hängt hier am Haken, befindet sich dabei aber in guter Gesellschaft. Denn außer Hubsi mit seinem aufgebockten G kommt hier keine ohne Hilfe heil wieder raus.

Nachdem sich alle aus eigener Kraft oder am fremden Seil aus dem Dreck gezogen haben, geht es weiter durchs Unterholz, über abgeerntete Felder und durch dichte Wälder - immer über Stock und Stein und gerne auch über steile Kuppen.  

,,Genau deshalb sind wir hier", sagt Elmar in einer Pause und lässt den Blick über die polnische Pampa schweifen. Denn während in Deutschland die Freiheit der Fahrer mit dem Asphalt endet und die Off-Roader allenfalls in paar Kiesgruben spielen dürfen, ist hier im Osten noch vieles erlaubt. Ja, auch diese Reviere werden kleiner und die Förster kritischer, räumt Elmar ein. Aber seine lokalen Guides sind gut genug vernetzt, dass seine Schützlinge hier mehr Schmutz finden, als ihnen und ihren Autos lieb ist.

Aber natürlich weiß auch Elmar, dass Offroad-Touren durchs polnische Unterholz einen gewissen Beigeschmack haben. Erst recht, wenn einige der Autos noch Nato-Oliv tragen. Doch gegen die politischen Bedenken gibt es historische Nachhilfe in den ehemaligen Bunkeranlagen und die Klimasorgen kompensiert der Veranstalter mit CO2-Zertifikaten: ,,Für jeden Kilometer, den die Teilnehmer diesseits der Grenze fahren, werden irgendwo anders Bäume gepflanzt."

Ohne Skrupel hallt deshalb immer wieder das Kommando ,,Gas, Gas, Gas" durchs Dickicht wie ein Kampfruf, wenn sich mal wieder einer festgefahren hat und Elmar und sein Kollege, den sie alle nur Renate nennen, nicht eher Ruhe geben, bis der Festgefahrene wieder frei ist. Das trifft den Puch ebenso wie Hubsis G-Klasse, und natürlich erst recht den Suzuki Jimny, der hier wirkt wie ein Spielzeug, das sich in die Wirklichkeit verirrt hat, den gigantische Nissan Patrol und ja - immer mal wieder auch den Defender.

Doch abends am See, als die schlammstarrenden Autos zur Wagenburg zusammenkommen, die Dachzelte aufgestellt sind und der Tag am großen Feuer durchgesprochen wird, weicht die Skepsis gegenüber dem Defender einer vorsichtigen Neugier. Es geht um Details wie Watttiefe und Rampenwinkel, um die vielen Kameras, die beim millimetergenauen Rangieren zwischen den Bäumen helfen und immer wieder um die Terrain-Response-Control, die dem Defender den Weg durch alle Widernisse ebnet. Und vom Reihensechszylinder-Diesel mit seinen drei Litern Hubraum und 250 PS sind sie plötzlich auch ganz angetan. Na gut, so lautet am Ende unausgesprochen das Urteil - die Bewährung wird verlängert und der Defender darf auch am nächsten Tag wieder mit.

Das zahlt sich spätestens kurz vor der Mittagspause aus. Denn als der erste Puch im Flussbett vollläuft, während der Defender sich selbst aufbockt und locker vorbeizieht, da staunen die Skeptiker nicht schlecht über das einzige Auto mit Luftfederung im Feld. Beim Schlamm-Klettern im Mud-Programm werden sie hellhörig und als er im Kriechgang millimetergenau über Felsen klettert, wächst so langsam die Achtung. Aber spätestens als er als erster und einziger in einem Anlauf die steile Sandpiste in der Kiesgrube des Mittagsstopps stürmt, akzeptieren sie ihn als einen der ihren und Elmar denkt nicht mehr im Traum daran, ihn wieder heimzuschicken.

Das droht auch keinem der anderen Kandidaten - selbst wenn der Jimmy viele Hindernisse auf dem Bauch nimmt, sich der Patrol seine Freilaufnaben ruiniert und das Camp abends bisweilen auch mal zur Behelfswerkstatt wird.

Doch am Ende der Tour sind alle heil zurück. Ein paar Stoßstangen sind in Wald geblieben, ein paar Bäume haben buchstäblich Eindruck geschunden in den Kotflügeln der Kandidaten, und im Fußraum des einen Puchs steht immer noch das Wasser. Viele Nasen laufen, weil die Nächte im Dachzelt kälter waren als gedacht, und jeder sehnt sich nach den ersten sanitären Einrichtungen nach vier Tagen. Denn natürlich starren alle vor Dreck.

Der neue Defender hat es mit nur wenigen kleinen Blessuren aber dafür um so mehr Lorbeeren geschafft und ist damit bei seinen härtesten Kritikern über alle Zweifel erhaben. Tourguide Elmar ist voll des Lobes und der Kumpel aus dem alten Defender zückt sogar spontan sein Scheckbuch: ,,Ich nehm' ihn so wie er ist, ihr müsst ihn nicht einmal mehr waschen." Denn erstens passen die Schlammspritzer zum moosgrünen Lack und schmücken selbst die weißen Stahlfelgen. Und zweitens würde der Glanz ohnehin nicht lange halten. Schließlich ist die nächste Tour längst gebucht. Polens Wälder im Winter warten schon.

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