Tradition: 40 Jahre Opel Ascona C - In der Mitte sind die Wünsche gleich

Ascona, so heißt ein südliches Sehnsuchtsziel der Deutschen in den späten Wirtschaftswunderjahren. Ascona, so hieß deshalb von 1970 bis 1987 auch ein millionenfach verkaufter Opel, der zum braven Bürgermeister der Mittelklasse avancierte. Vor 40 Jahren durfte er ein wenig Avantgarde wagen: als Weltauto

12Tradition: 40 Jahre Opel Ascona C - In der Mitte sind die Wünsche gleich
1981 ging der Opel Ascona C in Deutschland an den Start. Hier die Version mit vier Einstiegstüren Foto: Opel

In der Mitte der automobilen Gesellschaft herrschte schon immer Harmonie: Sind es heute Crossover-SUV, die global das Bild der Familien- und Firmenfahrzeuge bestimmen, waren 1981 konservative Mittelklasse-Typen wie der neue Opel Ascona C angesagt. Der Wechsel auf Frontantrieb galt bei dieser dritten und finalen Ascona-Generation bereits als Fortschritt und frische Farben standen für modische Avantgarde. Wer mehr Design wagte - wie etwa Opels Erzrivale Ford beim Sierra - wurde von den Käufern abgestraft, ein neues fünftüriges Fließheck á la Ascona musste als Veränderung genügen. Und dieses Denken galt nicht nur für Deutschland, sondern rund um den Globus. Genau deshalb reüssierte der zwischen dem kleinen Opel Kadett und dem großen Opel Rekord platzierte Ascona C als Blaupause der General-Motors-(GM)-Weltauto-Plattform mit dem Namen ,,J", die es auf nicht weniger als zwölf Marken brachte. Opel, damals noch europäische Vorzeigetochter von GM, lieferte mit dem Ascona C das Muster für dieses einmalig breite J-Car-Modellportfolio, das vom Holden Camira in Australien über den Isuzu Aska in Japan, den Chevrolet Monza in Brasilien bis zum Cadillac Cimarron in den USA reichte. Mit einem J-Car wussten Familien verlässlich, was sie hatten, und genau das machte auch den letzten Ascona zum erfolgreichsten. Über 1,7 Millionen Einheiten verkaufte Opel von seinem Mittelklassestar bis 1988, genug für die zeitweilige Pole Position der Marke mit dem Blitz in den deutschen Zulassungscharts.

Schon auf der IAA 1981 in Frankfurt zeigte der Ascona, dass er designiert war für Rekordumsätze in Rüsselsheim und Opel aus der Verlustzone der vorhergehenden Jahre beschleunigen würde. Kein Messestand wurde mehr belagert: Zeitweise drängten sich die Besucher bei Opel in Zehnerreihen um die damals spektakulär große Drehscheibe, auf der drei Ascona im Scheinwerferglanz rotierten zum Slogan: ,,Ascona. Das neue Verhältnis zum Automobil". Wirklich neu und überaus mutig war jedoch nur das nebenan ausgestellte Ascona Cabriolet ganz ohne damals üblichen Überrollbügel und bereits mit elektrisch betätigtem Dach, nebenbei das erste GM-Frischluftmodell seit Einstellung des Cadillac Eldorado Mitte der 1970er Jahre. Wer die Rüsselsheimer GM-Filiale als reinen Befehlsempfänger aus Detroit einordnete, musste nun umdenken.

Allerdings war der strahlendweiße Sonnenkönig vorläufig nur ein Prototyp, für den das Opel-Management noch einen Kleinserienhersteller suchte. Und mit Opel-Händler-Beteiligung schließlich fand. Gleich zwei Cabriolets standen ab 1983 in vielen Opel-Showrooms - deutlich bevor familientaugliche Luftikusse á la BMW 3er einen Sonnensturm entfachten. Während ein Ascona Cabrio von Keinath sehr kostspielig war, punktete der auch als Vauxhall Cavalier angebotene Ascona von Hammond & Thiede mit Preisen ab 26.050 Mark. Klar, auch das war viel, kostete der zweitürige Blechdach-Ascona doch nur die Hälfte. Aber dafür taugte der Luftikus für Auftritte in Schwabing und auf Sylt, während die zwei-, vier- und fünftürigen Opel mit dem Namen eines Schweizer Sehnsuchtsziels der Deutschen aus dem ausklingenden Wirtschaftswunder (der erste Ascona startete 1970) Opel im deutschen Verkaufsranking als König inthronisierten.

Zumindest kurzzeitig, denn als der Ascona mit allen Motorisierungen verfügbar war - darunter erstmals ein 40 kW/54 PS leistender Wirbelkammer-Diesel, der es in Effizienz und Agilität mit dem Volkswagen Passat aufnehmen konnte - gelang es dem Opel Anfang 1983, seinen Marktanteil auf 21 Prozent steigern und Volkswagen abzuhängen. Daraufhin ließ VW eiligst preiswerte Sondermodelle auflegen, die Opel wiederum mit eigenen Editionen konterte. Ob Ascona J, Touring, Sport oder Jubilee, alle serienmäßig gut ausgestatteten Stufenhecktypen und Fastbacks verfingen bei der bürgerlichen Klientel. Allein ein Kombi wie bei den Mittelklasse-Konkurrenten Passat, Ford Sierra oder Renault 18 fehlte im Rüsselsheimer Programm. Diesen hatte nur Vauxhall mit der Ascona-Doublette Cavalier eingeführt. Dazu nutzte der britische Cavalier Estate aus Australien zugelieferte Karosserieteile des J-Cars Holden Camira. Bei Opel mussten sich Ladelustige stattdessen zwischen dem kompakten Astra und dem großen Rekord Caravan entscheiden. Ein wenig Ungleichheit in der automobilen Mittelklasse gönnte sich GM auf diese Weise doch.

Obwohl im Herzen ein Kosmopolit, verstand sich die deutsche Version des J-Cars eher als konservativer Pragmatiker. Ein Familienfreund, dem wartungsarme OHC-Benziner mit Hydrobolzen oder elektronische Zündanlage im bescheidenen Leistungsband von 44 kW/60 PS bis 66 kW/90 PS bzw. am Ende auch 96 kW/130 PS sowie unproblematische Fahreigenschaften dank neuen Frontantriebs und Verbundlenkerhinterachse wichtiger waren als schicker Schnickschnack. So gab es anfangs weder elektrische Fensterheber noch Klimaanlage, und eine Servolenkung oder der rechte Außenspiegel kosteten Aufpreis. Damit hatte bei Opel alles seine gewohnte automobile Ordnung in einer Gesellschaft, die erschüttert wurde durch Aids, Ölpreiskrisen, Kriege in vielen Regionen, Diskussionen über den Nato-Doppelbeschluss und den Sturz von Bundeskanzler Helmut Schmidt via Misstrauensvotum. Nicht zu vergessen der Kampf gegen die dicke Luft auf den Straßen, die für das Waldsterben mitverantwortlich gemacht wurde.

Auch hier versuchte Opel seine Käuferklientel zu beruhigen, zuerst mit einer Schlagzeilen generierenden Investition: Eine Milliarde Mark und tausend Mitarbeiter für die Entwicklung von Abgaskatalysatoren. Dann gab es den Ascona 1.8i ab Ende 1984 als eines der ersten deutschen Autos mit Kat, ab März 1985 waren außerdem alle Opel-Diesel um 50 Prozent schadstoffreduziert. Auch den aufkommenden Wunsch nach mehr Komfort erfüllte die deutsche GM-Tochter: Wer einen vier- oder fünftürigen Ascona CD wählte, bekam plötzlich serienmäßig fast alles, was die 1980er hergaben. Bordcomputer, elektrische Fensterheber und Außenspiegel oder Servolenkung gab es für Mitglieder im ,,CD Club" serienmäßig. Und wer ein noch exklusiveres GM-J-Car wollte, entschied sich für einen der wenigen in Deutschland verkauften Cadillac Cimarron oder einen exotischen Oldsmobile Firenza.

Im Dienste der Allgemeinheit standen dagegen spezielle Ascona für Feuerwehr, Polizei, Notärzte oder Bundeswehr. Für alle, die früheren Rallye-Siegen des Ascona etwa unter Walter Röhrl nachtrauerten, gab es ab Ende 1986 den Ascona Sprint, entwickelt von Opel und dem Tuner Irmscher mit tiefergelegtem Fahrwerk, Spoilersatz und 85 kW/115 PS kräftigem 2,0-Liter-Einspritzer. Aber inzwischen fuhr der Ascona dem Sonnenuntergang entgegen, frische Herausforderer machten dem braven Modell mit dem Blitz das Leben schwerer. Immerhin war dieser dritte und letzte Ascona der meistverkaufte, ein gutes Erbe für den Vectra, mit dem für Opel 1988 eine neue Ära begann. Den guten J-Car-Geistern der Vergangenheit begegnete der Vectra noch lange: In den 1990ern trat er gegen den koreanischen Daewoo Espero an, das finale J-Car-Produkt.



Chronik:
1970: Ab Jahresbeginn kommuniziert Opel gegenüber den Medien das kommende Mittelklassemodell Ascona. Im August Produktionsanlauf des Ascona A. Der Opel Ascona ersetzt den von 1967 bis Juli 1970 gebauten Opel Olympia, eine luxuriös ausgestattete Variante des Opel Kadett. Der Ascona A wird in drei Karosserievarianten als zweitürige Stufenhecklimousine, viertürige Stufenhecklimousine und dreitüriger Kombi Voyage bzw. Caravan verkauft
1975: Produktionsauslauf des Ascona A am 9. Juli nach insgesamt 691.438 Einheiten. Als letztes Opel-Mittelklassemodell mit Hinterradantrieb feiert der Ascona B auf der IAA Frankfurt im September Weltpremiere, dies als zwei- und viertürige Limousine. Im Oktober wird das britische Schwestermodell Vauxhall Cavalier lanciert
1977: General Motors beginnt mit der Entwicklung einer neuen Plattform für die als Weltautos gedachten J-Cars mit quer eingebautem Frontmotor und Vorderradantrieb. In Europa gehen daraus der Opel Ascona C und der Vauxhall Cavalier MK2 hervor
1981: Im August nach rund 1,2 Millionen Einheiten Produktionsauslauf des Ascona B. Vom Vauxhall Cavalier wurden gut 215.000 Einheiten gebaut. Die J-Cars stehen vor dem Marktstart. Dazu zählen in Nordamerika u.a. die Modelle Buick Skyhawk, Cadillac Cimarron, Chevrolet Cavalier, Oldsmobile Firenza und Pontiac J2000, dies in den Karosserien Limousine, Kombi und Hatchback-Coupé. In Brasilien folgt der Chevrolet Monza, in Australien der Holden Camira (der Kombi lieferte die Basis für den Vauxhall Cavalier Kombi), in Japan der Isuzu Aska und eine Toyota-Lizenz sowie in Korea ab den 1990ern als später Nachkömmling der Daewoo Espero. In Europa startet der britische Vauxhall Cavalier, und in dritter Generation debütiert der Opel Ascona (C) auf der IAA Frankfurt als erster Vertreter der Baureihe mit Vorderradantrieb. Ascona-Karosserievarianten sind eine zweitürige Stufenhecklimousine, viertürige Stufenhecklimousine und als erster Ascona auch ein fünftüriges Fließheck. Auf der Antriebsseite sind zunächst 1,3- und 1,6-Liter-Benziner lieferbar. Vorläufig nur als Prototyp steht auf der IAA Frankfurt auch ein Ascona Cabriolet, das von Opel-Ingenieuren konzipiert wurde und bei der American Sunroof Corporation in Detroit gebaut wurde. 1982 einigt sich Opel mit Keinath im schwäbischen Dettingen über den Bau dieses Autos als Keinath-Ascona zu Verkaufspreisen von rund 40.000 Mark. Trotzdem ist das erste Jahreskontingent sofort ausverkauft. In der ersten bis 1984 laufenden Produktionsphase (C1) ist der Ascona in den Ausstattungslinien Basis, Luxus, Berlina, CD (nicht Zweitürer) und SR bzw. SR/E lieferbar. Opel erreicht eine Jahresproduktion von 810.158 Einheiten, zwei Jahre zuvor waren es noch 150.000 Fahrzeuge mehr
1982: Neu ist der Ascona Diesel mit modernem 1,6-Liter-OHC-Motor, ebenfalls frisch ist ein 1,8-Liter-Benziner. Der Ascona trägt entscheidend zur Opel-Gesamtproduktion von 973.268 Einheiten bei
1983: Neu sind ab Modelljahr 1983 die Sondermodelle Ascona J und Ascona Touring (nur vier- und fünftürig). Auf Basis des zweitürigen Ascona wird von Hammond & Thiede beim Karosseriewerk Voll in Würzburg ein Ascona Cabriolet aufgelegt, das über die Opel-Handelsbetriebe zu günstigeren Preisen ab 26.050 Mark vermarktet wird und bis 1988 in rund 2.900 Einheiten gebaut wird. Entworfen hatte dieses Cabriolet ursprünglich Michelotti für den Münchner Opel-Händler Häusler. Vauxhall bietet ein entsprechendes Cavalier Convertible an. In 434 Einheiten entsteht das Keinath C3 Cabriolet, während Prototypen von Tropic nicht in Serie gehen. Opel verkauft erstmals mehr als eine Million Fahrzeuge (1.180.830 Einheiten)
1984: Zum Modelljahr 1984 wird das zwei- und viertürige Sondermodell Ascona Sport lanciert. Im Oktober startet zum Modelljahr 1985 der faceliftete Ascona (C2), zu erkennen an neuem Frontdesign mit anderen Scheinwerfern und Blinkleuchten, einem Grill im Design des bisherigen Ascona CD und frischem Heckdesign mit Blende zwischen den Leuchteinheiten sowie Rückleuchten mit schwarzen Linien. Im Interieur erhält der Ascona (C2) Sitze und Instrumente wie im neu eingeführten Kadett E. Die Ausstattungslinien gliedern sich nun in LS (Basis), GL, GLS (nicht Zweitürer), CD (nicht Zweitürer) und GT. Im November kommt der Ascona 1.8i mit geregeltem Katalysator auf den Markt, als erster Opel und als eines der ersten Mittelklassemodelle überhaupt
1985: Im Herbst frische Sondermodelle in Form von Ascona GT/Sport und Ascona Touring (nicht als Zweitürer). Als erster deutscher Hersteller bietet Opel eine komplette Fahrzeugpalette mit geregeltem Drei-Wege-Abgaskatalysator an
1986: Im August spendiert Opel dem Ascona ein weiteres Facelift. Der Ascona (C3) ist erkennbar an neuem Front- und Heckdesign. Vorne fallen ein frischer Frontspoiler, ein neuer, in Fahrzeugfarbe lackierter Kühlergrill, weiße Blinkleuchten sowie Blau-graue Stoßfänger auf. Hinzu kommen neue Rückleuchten und eine neue Heckblende sowie Modifikationen im Interieur. Die Ausstattungslinien sind gegliedert in LS, GL, GLS und GT. Die Motorenpalette wird um neue 2,0-Liter-Einspritzer ergänzt. Auch die neuen Sondermodelle Ascona Jubilee und Ascona Sprint (bei Irmscher in knapp 1.800 Einheiten gebaut) werden zum Modelljahr 1987 aufgelegt. Neues Rekordergebnis in der Opel-Jahresproduktion mit 1.181.267 Einheiten
1987: Im Mai feiert Opel das 125-jährige Bestehen des Unternehmens. Zum letzten Modelljahr 1988 gibt es den Ascona in den neuen Ausstattungen Touring (ersetzt GL), GLS Exklusiv (statt GLS), GT/Sport (statt GT)  
1988: Im Oktober löst der neue Opel Vectra den Ascona ab, von dem seit 1981 insgesamt 1.721.647 Einheiten gebaut wurden
1991: Der bei der Carrozzeria Bertone gestaltete Daewoo Espero geht in Südkorea in Serie und nutzt die Architektur der J-Car-Plattform. Ab 1995 ist der Espero auch in Deutschland im Angebot, während Opel bereits seit sieben Jahren auf den Vectra setzt, der den Ascona beerbte
1999: Mit Einstellung des Daewoo Espero entfällt das letzte auf der ursprünglichen J-Car-Plattform gebaute Modell
2011: Für den Ascona C kann das amtliche H-Kennzeichen beantragt werden, damit erreicht die letzte Ascona-Generation Oldtimerstatus
2021: Das Jubiläum ,,40 Jahre Ascona C" wird von der Opel-Community gefeiert

Produktionszahlen:
Opel Ascona A (1970-1975): 691.438 Einheiten
Opel Ascona B (1975-1981): rund 1.200.000 Einheiten
Opel Ascona C (1981-1988): 1.721.647 Einheiten

Motorisierungen Opel Ascona C:
1,3-Liter-Vierzylinder-Benziner (44 kW/60 PS bzw. 55 kW/75 PS)
1,6-Liter-Vierzylinder-Benziner (55 kW/75 PS bzw. 60 kW/82 PS bzw. 66 kW/90 PS)
1,8-Liter-Vierzylinder-Benziner (62 kW/84 PS bzw. 74 kW/100 PS bzw. 85 kW/115 PS)
2,0-Liter-Vierzylinder-Benziner (74 kW/100 PS bzw. 85 kW/115 PS bzw. 96 kW/130 PS)
1,6-Liter-Vierzylinder-Wirbelkammer-Diesel (40 kW/54 PS).

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