Elektromobilität

Mercedes kontra MAN: Die deutschen Elektrobusse im Vergleich

Schaulaufen war gestern, hier treffen die neuen Elektrobusse von Mercedes und MAN im Test aufeinander. Wobei der eCitaro von Mercedes-Benz bereits Serienreife besitzt und der MAN Lion's City E noch in der Felderprobung steckt. Jetzt hat der Motor-Informations-Dienst (mid) beide Elektrobusse zum großen Vergleich vorfahren lassen.


Schaulaufen war gestern, hier treffen die neuen Elektrobusse von Mercedes und MAN im Test aufeinander. Wobei der eCitaro von Mercedes-Benz bereits Serienreife besitzt und der MAN Lion's City E noch in der Felderprobung steckt. Jetzt hat der Motor-Informations-Dienst (mid) beide Elektrobusse zum großen Vergleich vorfahren lassen.

In Stuttgart und Mannheim herrscht eitel Sonnenschein, zumindest wenn man auf das Thema Elektrobusse zu sprechen kommt. Die Markteinführung des eCitaro verläuft nach Plan, die Auftragsbücher sind voll, der elektrifizierte Stadtbus von Mercedes-Benz verkauft sich prima. Davon kann beim Rivalen aus München noch keine Rede sein. Der Lion's City E läuft sich zwar in einzelnen Exemplaren bei interessierten Kunden warm, aber über den Status von Feldversuchen ist der batterieelektrische Stadtbus von MAN noch nicht hinaus.

Beide sind in eine Stadtbusfamilie eingebettet, die sowohl mit Verbrenner-, als auch E-Antrieb angeboten werden. Der MAN als jüngere Entwicklung geht mit seiner Karosse einen Schritt weiter, er trägt alle Hochvoltkomponenten inklusive der Batterien auf dem Dach. Die Münchner Fahrzeugentwickler sparen den Motorturm hinten links ein, der MAN-Zweitürer gewinnt so im Heck mindestens vier Sitzplätze. Die der eCitaro mit klassischem Motorturm links nicht hat, Vorteil MAN. Von außen tragen eCitaro und Lion's City E eine gewisse Modernität zur Schau, der MAN wirkt einen Tick frischer.

Auf der Waage herrscht beinahe ein Patt, sie zeigt beim MAN 14.450, beim Mercedes 14.250 Kilogramm an. 200 Kilo sind zu vernachlässigen, sie stecken in Sitzen und differierender Ausstattung, schwer sind sie beide. Wobei der MAN bei zulässigen 19,5 Tonnen Gesamtgewicht bis zu 77 Fahrgäste befördert, der Mercedes nur 70.

Auch wenn es um die planbare Reichweite geht, schiebt sich der MAN nach vorn. Mit einer Batteriekapazität von 480 Kilowattstunden (kWh) schafft er verlässliche 200 Kilometer, sein Kontrahent mit 293 kWh nur 170. Wobei der MAN seine Batterien zugunsten der Lebensdauer nur zu 60 Prozent leerfährt, der Mercedes nutzt die gebotene Kapazität zu 80 Prozent. Vorteil MAN, aber in Sachen Ladeprozess liegt der Mannheimer vorn. Er kann per CCS-Stecker laden, der Kunde bekommt optional auch einen Stromabnehmer am Dach (Pantograf) für schnelle Zwischenladungen - bei MAN ist ein solcher Stand heute nicht zu haben.

Dass beide Hersteller kompetente Stadtbusse bauen können, beweisen sie mit sehr professionellen Fahrgasträumen. Große Seitenscheiben bieten gute Aussicht, der MAN-Plafond und das indirekte Innenlicht beweisen eine hohe Design-Qualität bis ins Detail. Schade, dass im MAN die Hecklandschaft - ohne Motorturm - von Podesten zerklüftet wird, dafür würde man sich eine bessere Lösung wünschen.

Der eCitaro verliert mit dem Motorturm Raum im Heck, die vielen Stufen an Tür drei sind auch keine Glanzleistung der Entwickler. In Sachen Heizung, Lüftung, Klimatisierung sind die beiden Elektrobusse State-of-the-Art. Vor allem der Mercedes punktet mit einer innovativen CO2-Wärmepumpe, die sowohl heizt als auch kühlt. Der MAN nutzt ebenso die Vorteile der Wärmepumpen-Technik, die noch das konventionelle Kältemittel R134a verwendet.

Beide Kontrahenten überzeugen mit sehr guter Ergonomie. Umsteigende Fahrer benötigen nur wenig Einarbeitungszeit. Bei Mercedes ist es das beinahe baugleiche VDV-Cockpit der Dieselkollegen, der MAN hält mit einem neuen dreiteiligen Armaturenträger dagegen. Man findet sich da wie dort schnell zurecht, beim Mercedes vielleicht ein Quäntchen besser. Der Mercedes und sein Antrieb mit ZF-Elektroachse überzeugen mit sehr guten Manieren, er leistet sich in der Praxis keinerlei Schwäche. Er zieht sowohl leer als auch ausgelastet mit viel Antriebsleistung aus der Haltestelle, zeigt sich aus dem Stand aber diszipliniert und produziert keine Krawallstarts.

Bei so viel Feinschliff gerät der MAN ein wenig ins Hintertreffen. Er beschleunigt nicht nur am Berg spürbar schaumgebremst, die Entwickler haben den großen Zentralmotor deutlich domestiziert. Das maximale Antriebsmoment von 2.100 Newtonmetern reicht in jedem Fall, der MAN kann auch rollen. Aber er verzögert bereits ohne Leistungseinsatz und rekuperiert leicht.

Wenn es um die Antriebsgeräusche geht, nehmen sich beide nichts. Der Mercedes pfeift, wenn er gefordert wird, und singt hochfrequent mit seinen Asynchronmotoren. Der MAN ist dann auch nicht ruhiger, sein großer Antriebsmotor brummelt eine Oktave tiefer. Während beim Mercedes kein Klappern zu registrieren ist, protestiert der MAN auf schlechten Straßen mit deutlich vernehmbaren Karosserie-Resonanzen gegen die lieblose Behandlung.

Apropos schlechte Fahrbahnen: Der Mercedes verwöhnt seine Fahrgäste mit vorbildlichem Komfort. Mit elektronisch geregelten Stoßdämpfern federt er verbindlich und steckt Kanaldeckel, grobe Querfugen und tiefe Fahrbahndellen omnibusfein weg. Hier kann der MAN trotz vergleichbar hochwertiger Komponenten nicht ganz mithalten. Der Münchner fährt zwar sicher, rumpelt aber deftig über das ondulierte Geläuf.

Trotz der hohen Dachlast von zwei Tonnen fühlt sich der Elektro-Mercedes ziemlich fahraktiv an, was auch an der elektro-hydraulischen Lenkung liegt. Sie arbeitet sehr präzise und lässt den Fahrer die Fahrbahn durchaus spüren. Der MAN erledigt den Job auf der Straße weniger inspiriert. Er neigt sich in Kurven etwas weiter nach außen, er trägt ja auch eine Tonne mehr auf dem Dach.

Wer bietet mehr Sicherheit? Da kann dem eCitaro keiner das Wasser reichen. Er geht mit allen Sicherheitssystemen der Baureihe an den Start - mit allem, was die kritische Öffentlichkeit heute fordert. Einen radarbasierten Notbremsassistenten, ebenfalls mit Radarsensoren detektiert ein Abbiegeassistent rechtsseitige Passanten und Verkehrsteilnehmer. Er warnt mit Lichtzeichen an der A-Säule und wenn es ernst wird, mit einem Rüttelalarm rechts im Sitzpolster. MAN hält vorerst mit einem zugekauften System dagegen. Es verarbeitet Kamerasignale, warnt vor Kollisionen und vor Fußgängern im Gefahrenbereich.

Wolfgang Tschakert / mid

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