EICMA-Nachlese: Dreirad-Roller - Drei gewinnt - langfristig

Zu den bislang drei Rollern mit drei Rädern kommen im nächsten Jahr zwei weitere Modelle bedeutender Marken hinzu

Der Dreiradroller hat es geschafft. Das steht nach 13 Jahren Marktpräsenz fest. Nicht nur, weil sich das Absatzvolumen auf dem deutschen Zweiradmarkt zur konstanten Größe entwickelt hat, sondern auch, weil mit den beiden Zweirad-Schwergewichten Kymco und Yamaha auch zwei weitere Marken in das international bedeutsamste Segment mit 300 bis 500 Kubikzentimeter Hubraum einsteigen. Während sich Yamaha darauf beschränkt, den hierzulande unbedeutenden Tricity 125 zum Tricity 300 weiterzuentwickeln, versucht Kymco einen Generalangriff auf den Marktführer Piaggio, dessen MP3 500 seit Jahren konstant hohe Stückzahlen liefert: Der für die zweite Jahreshälfte 2020 angekündigte Kymco CV3 ist der erste Dreirad-Scooter mit Zweizylinder-Motor; seine Leistung soll deutlich jenseits der 50 PS liegen.

Wie so oft wird Neues anfangs mit Zurückhaltung zur Kenntnis genommen. So war es auch, als der italienische Piaggio-Konzern 2006 den ersten Dreirad-Roller der Welt präsentierte. Zwei Vorderräder waren durch eine neuartige Radführung miteinander verbunden, so dass der Fahrer Kurven wie ein Motorradfahrer in Schräglage absolvieren konnte. Nicht wenige Betrachter fühlten sich angesichts des Piaggio MP3 an einen Krankenfahrstuhl erinnert und schätzen die Zukunftsaussichten als höchst mäßig ein. Das wären sie wohl auch geblieben, wenn Piaggio nicht mit sanfter Gewalt daran erinnert worden wäre, dass der erste MP-3 einen Geburtsfehler hatte: Seine Vorderräder standen zu eng beieinander, um das Fahrzeug mit dem Pkw-Führerschein fahren zu dürfen. Ein findiger Händler zeigte, wie's besser geht, Piaggio reagierte und die Nachfrage wuchs eindrucksvoll. Denn das Dreirad-Konzept war nicht in erster Linie für erfahrene Scooter-Piloten interessant, sondern für Autofahrer. Sie schätzen die zusätzliche Sicherheit des dritten Rades ganz besonders.

Aus den knapp 700 Zulassungen des Jahres 2007 in Deutschland wurden schon im folgenden Jahr gut 1000 - und dann platzte der Knoten: Fast 3.000 Einheiten des MP3 konnten die Piaggio-Händler 2009 verkaufen. Seither ist das Thema ,,durch": Piaggio setzte in den vergangenen fünf Jahren stabil stets um die 1.000 Dreirad-Roller ab und das, obwohl sich mittlerweile zwei Wettbewerber etabliert haben: 2012 erschien die Newcomer-Marke Quadro mit einem Dreihunderter, 2014 brachte Peugeot den Metropolis 400. Auch diese beiden Marken verzeichnen einen beständigen, sogar leicht steigenden Absatz: Der von Peugeot liegt bei etwa 400 Fahrzeugen pro Jahr, der des Quadro QV3 - so heißt der ehemalige Quadro 3  mittlerweile - lag meist zwischen 200 und 300 Stück, jetzt geht die Tendenz Richtung 400 pro Jahr.

Zu dem genannten Trio von Piaggio, Peugeot und Quadro stößt nun mit Yamaha ein echtes Zweirad-Schwergewicht, das seine Dreirad-Kompetenz in den letzten Jahren bereits eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat: Der Tricity 125 funktioniert bestens, ist aber in Deutschland mit dem leistungsschwachen 125-Kubik-Antrieb für viele uninteressant. Noch argwöhnisch beäugt wird von den Motorradfahrern der dreirädrige Niken, der ein ausgezeichnet funktionierendes Motorrad mit drei Rädern ist. Der Tricity 300 ist, anders als der Niken, als Nutzfahrzeug konzipiert: Er zielt auf Autofahrer, die sich das Leben im staugeplagten urbanen Raum einfacher machen wollen, ohne auf die Sicherheit eines Zweispurfahrzeugs zu verzichten.

Die Handhabung des Tricity 300 soll laut Yamaha besonders leicht von der Hand gehen: Vorteilhaft sei das fast ausgeglichene Gewichtsverhältnis von nahezu 50:50 zwischen Vorderachse und Hinterrad, weil es ,,Leichtigkeit" ins Fahren bringe. Stolz ist Yamaha auch, dass Vorderräder und Hinterrad mit 14 Zoll denselben Durchmesser haben; auch das sei günstiger fürs leichte Fahren als kleinere Räder an der Front, wie sie sonst üblich sind. Als positives Merkmal sieht Yamaha auch die Verwendung eines Kombibremssystems mit drei Scheibenbremsen in Verbindung mit einem ABS. Anders als beim mittlerweile in Europa 15.000 Mal verkauften Tricity 125 weist der 300er ein System auf, das den Roller beim Anhalten aufrecht hält. Mit 21 kW/28 PS liegt die Motorleistung im üblichen Rahmen dieses Segments, das fahrfertige Gewicht liegt bei 239 Kilogramm und damit etwas höher als bei Quadro QV3 (220 kg) und Piaggio MP3 300 (225 kg); der stärkere Peugeot und der in Deutschland besonders beliebte Piaggio MP3 500 sind mit 265 bzw. 275 Kilo deutlich schwerer. Der Preis des Yamaha Tricity 300 steht noch nicht fest.

Wieviel der für das 4. Quartal 2020 angekündigte Kymco CV3 wiegen wird, ist offen - dass er leichter als die beiden bislang erhältlichen Schwergewichte sein wird, ist allerdings unwahrscheinlich. Das dürfte schon der üppige Antrieb des CV3 unmöglich machen, erfolgt dieser doch durch einen 550 Kubikzentimeter großen Zweizylinder-Reihenmotor. Die Leistung wird mit etwa 40 kW/54 PS angegeben, womit der taiwanesische Dreiradler volle 10 PS mehr leisten würde als der Piaggio MP3 500. Weitere Unterschiede des Kymco zu den Wettbewerbern liegen im Endantrieb durch einen offenen Riemen zwischen Variomatik und Hinterrad - und in seiner Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h. Zur Ausstattung des Kymco CV3 zählen weiterhin das Konnektivitätssystem Noodoe mit Smartphone-Einbindung und Navigation sowie die Möglichkeit, seitlich am Fahrzeug Koffer einzuhängen, um den Stauraum zu vergrößern.

Gespannt darf man auch auf den Preis des ersten Dreirad-Scooters aus Taiwan sein: Bislang stellt der Piaggio MP3 500 hpe Sport in der Advanced--Version mit Rückfahrhilfe zum Preis von 11.115 Euro das teuerste Angebot des Marktes dar; ohne Rückfahrhilfe liegt der Listenpreis für die Halbliter-Piaggios bei gut 10.000 Euro, der 400er Peugeot ist geringfügig günstiger. Die Dreihunderter von Piaggio und Quadro liegen bei gut 7.000 Euro.

Einen elektrifizierten Dreiradroller gibt es bislang nur als Prototyp: Quadro zeigte auf der Mailänder EICMA dieses Jahr den QV3e; eine Serienfertigung scheint jedoch nicht bevorzustehen. Bereits 2010 hatte Piaggio einen MP3 125 mit Hybridantrieb serienreif; mit 9.000 Euro kostete das ziemlich lahme und sehr schwere Dreirad 50 Prozent mehr als der Serien-125er, wies aber keinerlei Untersitzstauraum mehr auf und konnte nur maximal nur 20 Kilometer weit elektrisch fahren, und das nur mit reduziertem Tempo. Der Hybrid-Dreiradler floppte und fiel sehr schnell aus der Piaggio-Serienfertigung. Im vergangenen Jahr zeigte Peugeot eine elektrifizierte Version des Metropolis; von ihr ist allerdings keine Rede mehr.

auch in MOTORRAD

Anzeige

Videos