Test: Ariv E-Bikes Meld und Merge - Stark in der Stadt

Wer an GM denkt, denkt meist an große Autos mit durstigen V8-Motoren. Doch künftig wollen die Amerikaner auch smarte Konzepte anbieten. Ein eindrucksvoller Einstieg in die Mobilität von morgen ist ihnen mit der Pedelec-Marke Ariv gelungen.

Ende des 19. Jahrhunderts gingen Fahrradhersteller dazu über, Autos zu produzieren. Ein gutes Beispiel dafür ist die Geschichte der einstigen GM-Tochter Opel. Über hundert Jahre später zeichnet sich eine umgekehrte Entwicklung ab: Zunehmend mehr Autohersteller steigen ins Bike-Business ein. Ironie der Geschichte: Dazu zählt - nur wenige Jahre nach der Trennung von Opel - neuerdings auch GM. Ariv (äreif) heißt das Start-up mit General Motors als einzigem Finanzier, das nun in Deutschland und einigen Anrainerländern mit dem eng verwandten Pedelec-Duo Meld und Merge antritt. Sogar kräftig antritt, wie eine erste Testfahrt zeigt.

Herzstück beider Ariv-Modelle ist ein 250 Watt starker und 75 Newtonmeter leistender E-Motor, der nicht nur bei GM selbst entwickelt, sondern außerdem auch in Detroit gebaut wird. Wie in der Fahrradszene üblich, lassen die Amerikaner den Rest jedoch in Fernost produzieren - genauer gesagt in Vietnam. Das mag billig klingen, doch in puncto Styling und Qualität geben sich beide Räder keine Blöße. Das im Kern bei beiden Bikes gleiche Rahmendesign vermittelt einen kraftvollen, aufgeräumten und progressiv Eindruck. Tragendes Element ist ein wuchtiger Einrohrrahmen aus Aluminium, der sich in einem kühnen Bogen von der Hinterradführung bis zum Lenkrohr erstreckt. Das dicke Profil wirkt nicht nur massiv, sondern dank sauber geglätteter und entsprechend unsichtbarer Schweißnähte sogar edel.

Auch wenn beide Modelle auf den ersten Blick fast identisch aussehen, gibt es einen entscheidenden Unterschied: Während es sich beim Meld lediglich um ein kompaktes Citybike auf 16-Zoll-Rädern handelt, bietet das Merge als Besonderheit noch einen clever gemachten Faltmechanismus, der intermodales Reisen sowie ein Verstauen im Kofferraum oder einer Abstellkammer erleichtert. Im Lenkrohr befindet sich ein eingelassener Hebel, mit dem sich über Seilzugverbindungen alle drei Klappmechanismen mit einer Handbewegung entriegeln lassen. Anschließend muss man zunächst die Lenkerhälften zusammenklappen sowie die Lenkstange und schließlich die Rahmenmitte halbieren. Was einfach klingt und bei der Vorführung eines geschulten Ariv-Mitarbeiters elegant aussieht, verlangt allerdings nach etwas Übung, bis das sehenswerte Origami-Schauspiel halbwegs flüssig von der Hand geht. Ganz so handlich wie ein gefaltetes Brompton ist das Merge mit seinem Packmaß und 20 Kilogramm Gewicht allerdings nicht.

Pendler, die nicht schweißgebadet im Büro ankommen wollen, dürfte vor allem die zentral im Fahrrad untergebrachte, erfreulich kompakte Kombination aus Batterie und Motor reizen. Doch bevor wir uns vom Leistungsvermögen kleines Kraftwerks überzeugen, wird schnell noch die Ariv-App runtergeladen, die sich in wenigen Schritten aktivieren und anschließend mit dem Fahrrad verbinden lässt. Diese macht das Smartphone zum Bordcomputer, der sich zentral im Lenker per Quad Lock sicher aufsetzen lässt. Die Smartphone-Anzeige ist eine Kann- aber keine Muss-Lösung, denn eine im Rahmen eingelassene LED-Anzeige informiert ebenfalls über Unterstützungsgrad und Akkukapazität.

Beide Ariv-Modelle sind als Stadträder konzipiert. Entsprechend kompakt fällt auch die Batterie aus. Der 250-Wh-Akku soll bei kleinster Unterstützungsstufe für 64 Kilometer reichen. Auf unserer Testtour war die Batterie nach gut 25 in der höchsten von vier Unterstützungsstufen gefahrenen Kilometer halbleer. Jeder der ersten drei Stufen reicht, um gut voranzukommen, doch wen interessiert die Reichweitenmaximierung, wenn der maximale Fahrspaß der Stufe vier lockt. Der Mittelmotor reagiert dann feinfühlig auf Trittbefehle und liefert, untermalt von leichtem Surren, kräftig Schub. Wie bei Pedelecs üblich, wird bis maximal 25 km/h unterstützt. Es geht auch locker schneller, denn wer etwas kräftiger in die Pedale tritt, schafft problemlos auch 30 km/h. Jenseits der 25 km/h wird der E-Antrieb allerdings entkoppelt, was man vor allem aufgrund des dann aussetzenden Motorsounds registriert.

So richtig gut für längere Strecken sind Merge oder Meld nicht ausgelegt, denn dafür ist unter anderem die Sitzposition zu niedrig. Zumindest mit der Standard-Sattelstange, die neben der Rückleuchte auch einen Klappständer integriert, werden sich mittelgroße bis große Fahrer wünschen, den Sattel höher stellen zu können. Ariv will sein Angebot um eine längere Sattelstange erweitern, bei der man allerdings auf die clevere Kombination mit dem Klappständer verzichten muss. Grundsätzlich unverstellbar ist bei beiden Modellen zudem die Position des Lenkers.

Im Fall des Meld muss man noch mit einer weiteren Einschränkung leben, denn es gibt nur eine feste Übersetzung. Angesichts des Motors braucht man nicht zwingend eine Alternative, doch will man längere Zeit mit Tempo 25 fahren, werden die meisten sich zumindest einen Alternativgang wünschen, der eine niedrigere Trittfrequenz erlaubt. Diesen bietet das serienmäßig mit einer Achtgang-Nabenschaltung ausgestattete Merge, das für eigentlich jede Situation eine passende Stufe bereithält.

Besonders beeindrucken können beide Räder mit ihrem präzisen Handling. Mit beiden kann man durch den Großstadtdschungel räubern, lustvoll durch Kurven fegen und problemlos freihändig fahren - trotz kleiner 16-Zoll-Räder. Zum Chirurgenbesteck gehören unter anderem fein dosierbare wie kräftig zupackende Hydraulik-Scheibenbremsen oder die profillosen Goodie-Goodie-Reifen von VeeTire, die neben viel Trip auch ein wenig Komfort ins Spiel bringen, denn Federelemente sind in beiden Fällen nicht vorgesehen. Eine Spur agiler fährt sich das Meld, das sich stärker noch als das Merge als spaßiges Stadtrad empfiehlt. Das Merge kann beim Befahren holperiger Strecken auch nerven, weil ein Magnet an der Gabel dabei leicht in Schwingungen gerät und nervige Klappergeräusche provoziert.

Ansonsten ist der Qualitätseindruck der Ariv-Bikes über jeden Zweifel erhaben. Das hat allerdings auch seinen Preis, denn das faltbare Merge startet bei 3.400 Euro, das Meld ist knapp 600 Euro günstiger. Beide werden übrigens ausschließlich online vertrieben und direkt zum Kunden geliefert. Werden dessen Erwartungen nicht erfüllt, bleiben ihm 30 Tage für eine Rückgabe. Eigentlich sollte die Wahl auf das günstigere Meld fallen, wenn es sich mit einer Gangschaltung - drei Gänge würden reichen - und dem Lenker-Klappfunktion des Merge kombinieren ließe. Hier sollte Ariv seine Angebotspolitik noch ein wenig überdenken. Als Fahrrad- und E-Bike-Anbieter steht GM allerdings erst am Anfang, und der ist mehr als vielversprechend.

auch in FAHRRAD

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