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Workshop 911: Wieder der beste Elfer den es je gab

August Achleitner beschwört den Geist des Zuffenhausener Kernmodells. ,,Jede Generation des 911 hat sich durch technische Highlights ausgezeichnet und den Carrera immer jung gehalten", sagt der Entwicklungsleiter der Porsche-Baureihe 929. Die jüngste Ausgabe der Sportwagen-Ikone, gerade auf der Auto-Show in Los Angeles vorgestellt, tanzt da nicht aus der Reihe.

Eine komplette Seitenwand aus Aluminium, noch stärkere Motoren die dank Partikelfilter so sauber sind wie nie zuvor und eine ganze Reihe von Assistenzsystemen, darunter ein Fahrmodus der dem Heckmotor-Coupé bei nasser Fahrbahn die Schärfe nimmt, sind die herausragenden Konstruktionsmerkmale des neuen 911. In einem Workshop möchten seine Väter diese und viele anderen technischen Highlights der neuen Generation vermitteln.

Dazu gehört freilich ein Blick in die Historie. Der erste Elfer wurde auf der IAA des Jahres 1963 gezeigt, im folgenden Frühjahr ging der nur 1080 Kilogramm wiegende Sportler an den Start. Seine damals noch luftgekühlten Boxermotoren leisteten 110 bis 190 PS, die Beschleunigung von null auf Tempo 100 Kilometer pro Stunde gelang in 9,0 Sekunden und als Höchstgeschwindigkeit wurden 210 km/h erreicht. Die Nachfolge-Generation kam 1973 auf den Markt und war der erste Porsche mit verzinkter Karosserie. Er wog 1075 Kilogramm, schaffte mit 230 PS eine Höchstgeschwindigkeit von 230 km/h und sprintete in 8,5 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Erstmals beflügelte ein Turbolader die Leistung des Topmodells.

1988 kam der Carrera mit Allradantrieb, ausfahrbarem Heckspoiler und einem adaptiven Automatikgetriebe, brachte aber gleich 1350 Kilogramm auf die Waage. Mit 250 PS beschleunigte er in 5,7 Sekunden von 0 auf 100 km/h und erreichte 260 km/h Höchstgeschwindigkeit. 1993 trat die Baureihe 993 als letzte mit luftgekühlten Motoren an, eine manuelle Sechsgangschaltung und ein Aluminium-Fahrwerk zählten zu seinen Neuerungen, 1370 schwer beschleunigten diese Version 272 PS in 5,6 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 und machten sie 270 km/h schnell.

996 war die Bezeichnung der nächsten Carrera-Baureihe, die 1997 zum ersten Mal eine variable Ventilsteuerung hatte und mit Keramik-Bremsscheiben ausgestattet werden konnte. 5,2 Sekunden genügten dem 1320 Kilogramm wiegenden Sportler für den Standardsprint, 300 PS machten ihn 280 km/h schnell. Der 997 debütierte 2004 mit dem Rekordgewicht von 1490 Kilogramm, 325 PS verkürzten dennoch die Sprintzeit auf 5,0 Sekunden und beschleunigten das Spitzentempo auf 285 km/h. Die Variante GTS bereicherte das Programm, Direkteinspritzung, ein Turbolader mit variabler Turbinengeometrie und das Doppelkupplungsgetriebe PDK gaben dem Antriebsstrang den nötigen Biss. Die 2011 aufgelegte Baureihe 991 machte den Carrera zum Millionär. Mit einem Siebengang-Schaltgetriebe und neuen Biturbo-Motoren erreichte der Elfer die siebenstellige Produktionszahl. 370 PS beschleunigten 1455 Kilogramm Gewicht in 4,8 Sekunden von 0 auf 100 km/h, 289 km/h Spitze waren möglich.

Die Gestalt der Neuauflage folgt der Neigung zur Opulenz. Aus dem einst so schlanken Sportler ist ein dicker Batzen geworden, das Heck wuchert mit wuchtigen Formen. Verschiedene Raddurchmesser vorne und hinten verbessern die Fahreigenschaften, LED-Matrix-Scheinwerfer und ein Nachtsichtassistent die Sicht des Piloten. Für günstigere aerodynamische Verhältnisse sorgen stufenlos schließende Lufteinlässe vorn, der Wet-Mode-Assistent lässt die elektronischen Regelsysteme früher und sanfter einspringen, bei den allradgetriebenen Versionen werden der Vorderachse höhere Momente zugeschlagen. Auch die Gangwechsel des Doppelkupplungsgetriebes passen sich an nasse Fahrbahnen an, um die Spurstabilität zu verbessern. Der Dreiliter-Biturbo-Boxer holt aus sechs Zylindern 450 PS (331 kW) und 530 Newtonmeter Drehmoment.
Die Nürburgring-Nordschleife bezwingt er in 7:25 Minuten, das sind 5 Sekunden weniger, als der Vorgänger Carrera S.

Aufgeräumt hat Porsche den Innenraum. Das digitale Kombiinstrument mit zwei 7-Zoll-Displays und dem traditionell mittig angesiedelten analogen Drehzahlmesser, korrespondiert mit dem zentralen 10,9 Zoll großen HD-Monitor. Die Mittelkonsole ist von der Vielzahl der Knöpfe und Tasten befreit, über Menüs werden die meisten Funktionen gesteuert. Für die direkte Anwahl gibt es unter dem Bildschirm fünf frei programmierbare Tasten für schnellen Zugriff auf die am meisten gewählten Bedienungsschritte.

Der Sechszylinder-Boxer hat einen asymmetrischen Ventilhub für bessere Verbrennung und vergrößerte Turbolader bekommen. Er liefert nun 30 Nm mehr als bisher. Auch das PDK geht als zweite Generation ins Rennen, es hat nun aus Gründen der Effizienz eine Einspritzschmierung und ist fit für die Hybridisierung.

Ob auch die jüngste Elfer-Generation mit einem manuell schaltenden Getriebe ausgerüstet werden soll, wurde in den Weissacher-Entwicklungsabteilungen dem Vernehmen nach heftig diskutiert. Mit dem Ergebnis, dass auch die Baureihe 992 mit handgeschalteten sechs Gängen ab März 2019 zu den Kunden kommt. Obwohl bei uns lediglich zehn Prozent von denen beim Vorgänger auf das PDK verzichten wollten. Erstaunlich dabei ist, dass in den Vereinigten Staaten, einem der wichtigsten Automatik-Märkte schlechthin, sogar 20 Prozent der Handschaltung des Vorzug gaben.

Weniger überrascht, dass die Workshops zu Antrieb und Fahrwerk, in denen die Technik des neuen 911 den Medienvertretern auf dem Hockenheimring nähergebracht werden sollte, pünktlich endeten. Nur das Modul Elektrik/Elektronik überzog den Zeitrahmen erheblich. Assistenzsystemen und Konnektivität kommt demnach selbst beim einst puristischten deutschen Sportwagen immer größere Bedeutung zu. (ampnet/mk)

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