Fahrbericht Volvo XC90 T8 Twin Engine AWD: Riese auf leisen Sohlen

Eile mit Weile scheint die Devise der Volvo-Entwickler zu sein. Nach zwölf Jahren haben sie endlich einen Nachfolger für den XC90 auf den Markt gerollt, der mit dem jetzt vergleichsweise kompakt wirkenden Vorgänger allerdings nur noch die Typenbezeichnung gemeinsam hat. Der Luxus-SUV der Schweden hat in allen Bereichen deutlich zugelegt und rollt auf einer vollkommen neuen Plattform zu den Kunden.

Mit seinen ausladenden Abmessungen hat sich der XC90 in der Welt der großen Premium-SUV auf einen Schlag zu einer im wahrsten Wortsinn überragenden Größe entwickelt, die im Alltag allerdings auch eine gewisse Unübersichtlichkeit mit sich bringt. Offensichtlich hatten die Entwickler weniger die europäischen Straßen im Visier, sondern vielmehr die Weiten der USA.

Dank seiner beeindruckenden Maße - knapp fünf Meter in der Länge und 2,14 Meter der Breite - mutiert der Fünf- bis Siebensitzer zu einer bemerkenswerten Erscheinung. Dazu trägt auch die Höhe von 1,8 Metern bei, was wiederum den praktischen Vorteil hat, dass man den XC90 auf jedem Parkplatz schnell ausmachen kann. Auf der anderen Seite werden die Lücken in den Parkhäusern beängstigend eng. Und wie man ohne Leiter einen Dachgepäckträger erreichen soll, bleibt das Geheimnis der Schweden. Gut, dass das großzügig gestaltete Gepäckabteil einen kompletten Familienurlaub problemlos packt.

So viel Masse will einigermaßen wirtschaftlich bewegt werden, und deshalb spendierten die schwedischen Entwickler dem XC 90 neben den konventionellen Antrieben auch eine Plug-in-Version. Volvo verspricht dank der Kombination von Benzin- und Elektroantrieb einen Verbrauch - gemessen nach dem neuen Prüfverfahren WLTP und der speziellen Berechnungsmethode für Plug-in-Hybride - von 3,8 Litern Benzin auf 100 Kilometer. Im Alltagsbetrieb ist dieser Wert allerdings wenig realistisch und wird von der Wirklichkeit deutlich überholt. Tatsächlich zeigt die Verbrauchsanzeige in der übersichtlichen Instrumentensammlung vor dem Fahrer mindestens ernüchternde acht Liter bei zurückhaltender Fahrweise an, und wenn es einmal etwas schneller sein muss, erscheinen am Ende zweistellige Werte zwischen zehn und elf Litern im Display.

Vor allem auf langen Strecken ist der Teilzeitstromer in seinem Element. Auf der Autobahn lädt der Volvo zum beschwingten Cruisen ein. Hier demonstriert der XC90 seine Reisequalitäten, und die Insassen genießen dabei den sehr gut verarbeiteten Innenraum mit seinen edlen Materialien. Und wenn dann noch das Highend-Audiosystem von Bowers & Wilkins (2640 Euro Aufpreis einschließlich Infotainmentsystem Sensus Connect) für Unterhaltung sorgt, wird die Reise zu einem angenehmen Erlebnis.

Bis Tempo 140 km/h verzichtet die wuchtige Karosserie auf störende akustische Rückmeldungen, und auch bei höheren Geschwindigkeiten ist die Geräuschkulisse gering. Die gelungene Fahrwerkabstimmung zwischen Dämpfung und Federung trägt ebenfalls zum angenehmen Fahrkomfort bei. Den XC90, so scheint es, kann nichts aus der Ruhe bringen. Erst bei plötzlichen Richtungswechseln gerät der hoch aufragende Volvo an die Grenze der Physik, lässt sich aber auch dann gut beherrschen. In der Stadt wiederum ist der XC90 fast lautlos unterwegs, wenn der Elektroantrieb die Regie übernimmt. Die elektrische (Norm-)Reichweite liegt bei 40 Kilometern, was sich im Alltag auf realistische 30 Kilometer reduziert. Bis Tempo 125 km/h lässt sich der Volvo elektrisch bewegen, allerdings verringert sich die Reichweite dann rasant.

Als Primärantrieb wählten die schwedischen Entwickler einen Zwei-Liter-Vierzylinder, der die Kombination aus Direkteinspritzung, Kompressor und Turbolader in angenehme Kraftentfaltung übersetzt. Als Unterstützung hilft der 85 PS (65 kW) starke Elektromotor, und so entsteht eine Systemleistung von 390 PS (288 kW), was sich in überraschend sportliche Werte übersetzt. Immerhin gilt es, 2,3 Tonnen in Bewegung zu setzen und zu halten. Zwischen null und 100 km/h benötigt der 2,4-Tonner gerade 5,8 Sekunden, und bei Tempo 230 km/h ist die Höchstgeschwindigkeit erreicht. Der fürs Überholen auf der Landstraße wichtige Spurt von 60 km/h auf 100 km/h ist nach knapp vier Sekunden absolviert. Dabei zeigt sich die Acht-Gang-Automatik von ihrer unaufgeregten Seite und sorgt für eine stufenlose Beschleunigung.

Der Elektroantrieb an der Hinterachse macht den XC90 zu einem Allradler. Ist die elektrische Reichweite aufgebraucht, rollt der Volvo als klassischer Hybrid weiter. Je nach Ladeleistung vergehen zwischen drei und sieben Stunden bis die Akkus wieder aufgeladen sind.

Die Lithiumionen-Akkus verpackte Volvo in den Mitteltunnel, so dass beim Kofferraumvolumen keine Abstriche gemacht werden mussten. 640 Liter Stauraum stehen zur Verfügung, wenn die dritte Sitzreihe eingeklappt bleibt. Da kann man das schwedische Möbelhaus fast schon leerkaufen.
So angenehm der 4,95 lange XC90 auf der Langstrecke rollt, so wenig begeisternd ist er im städtischen Umfeld. Der Wendekreis von knapp 13 Metern trägt nicht zur Handlichkeit bei, und auf städtischen Straßen muss der Fahrer schnell den eher engen Verhältnissen Respekt zollen. Nicht selten erreichen ihn die strafenden Blicke der Passanten, auch wenn der flüsternde Riese umweltpolitisch korrekt lautlos und abgasfrei im elektrischen Modus unterwegs ist.

Der XC 90 kommt, wie bei Volvo nicht anders zu erwarten, mit einem umfangreichen Sicherheitspaket zu den Kunden. Dazu gehören unter anderem das neuartige Assistenzsystem Run-off Road Protection, das Schutz beim Abkommen von der Fahrbahn bieten soll. Damit es gar nicht erst so weit kommt, warnt das Road Edge Detection System den Fahrer allerdings schon, wenn er Gefahr läuft, die Fahrbahn zu verlassen. Außerdem sind ein aktiver Spurhalte-Assistent, der mitunter etwas hektisch eingreift, an Bord sowie Notbremssysteme für fast alle erdenklichen Gefahrensituationen.

Mit der umfangreichen Sicherheitsausrüstung verfolgt Volvo ein ehrgeiziges Ziel: Vom Jahr 2020 soll niemand mehr bei einem Unfall in einem Volvo ums Leben kommen. Zu diesem Ziel passt allerdings die Bedienung der wichtigsten Einstellungen über den zentralen Bildschirm nicht unbedingt. Die verschiedenen Funktionen lassen sich mittels Wischen über das Display abrufen. Das ist ohne Zweifel der Generation Smartphone geschuldet, trägt aber zu einer überflüssigen Ablenkung bei, weil immer wieder in den verschiedenen Menüebenen gesucht werden muss, um die passende Einstellung zu finden. Als Tribut an analoge Zeiten ist lediglich der Senderwechsel über Tasten und die Lautstärke über einen Drehregler einstellbar. Hier wäre weniger ein deutlicher Beitrag zu mehr Sicherheit. Allerdings zeigen sich die Bremsen, wenn der abgelenkte Fahrer sich plötzlich mit einer unerwarteten Situation konfrontiert sieht, von ihrer hart und herzlich zupackenden Seite.

Beim Kauf des Volvo XC 90 T8 Twin Engine AWD in der Ausstattungsstufe Inscription wechseln mindestens 81 250 Euro den Besitzer. Wer die Vollausstattung wählt, gerät knapp in den sechsstelligen Bereich und darf 99 750 Euro an den freundlichen Volvo-Händler überweisen. (ampnet/ww)

Daten Volvo XC90 T8 Twin Engine AWD Inscription

Länge x Breite x Höhe (m): 4,95 x 2,14 x 1,80
Radstand (m): 2,98
Motor: R4-Benziner, 1996 ccm, Turbo, Kompressor
Leistung: 223 kW / 303 PS bei 6000 U/min
Max. Drehmoment: 400 Nm ab 2200 U/min
Elektro-Motor: 65 kW / 87 PS
Batterie: Lithiumionen
Systemleistung: 288 kW / 390 PS
Höchstgeschwindigkeit: 230 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 5,8 Sek.
Elektr. Reichweite: 31 km
WLTP-Durchschnittsverbrauch: 3,8 Liter
CO2-Emissionen: 81 g/km (Euro 6d-Temp)
Leergewicht Testwagen: 2384 kg
Kofferraumvolumen: 262-1816 Liter
Basispreis: 81 250 Euro

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