Michelin fordert Test für gefahrene Reifen

Wenn Reifenfirmen Journalisten einladen, geht es meistens nur um das eine, und das ist schwarz, rund, stark profiliert und stellt meistens einen bedeutenden technologischen Fortschritt dar, der im Test ganz weit vorne liegt. Dass ein Hersteller einlädt, um die Qualitäten von gefahrenen Reifen in den Mittelpunkt zu stellen, hat es bisher noch nicht gegeben. Michelin, die Nummer zwei auf dem internationalen Reifenmarkt, fordert bei Mitbewerbern und Kunden ein Umdenken, wenn es um den Austausch gefahrener Reifen geht.

,,Die aktuellen Reifentests", erklärt Terry Gattys, Entwicklungsvorstand bei den Franzosen, ,,sind unbefriedigend, weil da nur neue Reifen untersucht werden. Neu sind die Reifen aber nur im Lager, und deshalb fordern wir, dass auch gefahrene Reifen auf ihre Langzeitqualitäten getestet werden sollten." Schließlich verändern sich die Eigenschaften der Pneus, wenn sie eine höhere Laufleistung erreicht haben. Viele Autofahrer tauschen ihre Reifen aber bereits, wenn die Profiltiefe noch bei rund drei Millimeter liegt. Dabei müssen Reifen - die Norm gilt weltweit - erst bei 1,6 Millimeter getauscht werden. Überflüssig, meint Michelin, denn durch diesen frühzeitigen Wechsel werden pro Jahr, so Berechnungen des Konzern-Testzentrums im französischen Ladoux, in Europa rund 6,6 Millionen Tonnen CO2 mehr als notwendig freigesetzt und außerdem 6,9 Milliarden Euro für 126 Millionen Reifen vorzeitig ausgegeben.

Während seiner Laufleistung verändern sich die Eigenschaften eines Reifens und bei einigen Aspekten tritt sogar eine Verbesserung gegenüber dem mit acht Millimeter Profiltiefe gestarteten frischen Gummi auf. Ein gefahrener Reifen besitzt auf trockener Fahrbahn sogar mehr Grip und einen kürzeren Bremsweg als ein Neureifen, und auch die Geräuschentwicklung verbessert sich. Allerdings lässt das Bremsvermögen auf nasser Fahrbahn mit zunehmender Laufleistung nach. Um diese Leistung auch alter Reifen einheitlich beurteilen zu können, fordert Michelin Testinstitute und Verbraucherorganisationen auf, ,,Reifen nahe der Verschleißgrenze" nach der von der europäischen Reifen- und Felgensachverständigenorganisation (ETRTO) definierten Testmethode R117 zu testen, ,,damit die Kunden wissen, wie sich die Reifen über die gesamte Laufleistung entwickeln." R-117 definiert die Bedingungen für einen Test auf nasser Fahrbahn. Die Reifen müssen dabei Qualitäten auf einem ein Millimeter messenden Wasserfilm beweisen. Klingt nach wenig, ist aber ein eher seltenes Phänomen und tritt allenfalls bei einem Starkregen auf.

Wie sich ein Reifen über die Lebensdauer entwickelt, hängt von den drei Faktoren Gummimischung, Profildesign und die Reifenaufstandsfläche ab. Diese Parameter sind für alle Hersteller gleich, und trotzdem ergeben sich immer wieder deutliche Unterschiede, die sich auf die Verkehrssicherheit auswirken. So benötigt ein gebrauchter Premiumreifen auf nasser Fahrbahn, so eine Demonstration auf einem Testgelände bei Wien, einen Bremsweg von 44,7 Metern bei einer Bremsung aus 80 km/h, während ein Budgetreifen bis zu 20 Meter mehr benötigt. Vor allem das Profil entscheidet über das Bremsverhalten bei Nässe. Michelin setzt dabei auf sogenannte Regentropfenlamellen, die sich zum Profilgrund verbreitern, um eine konstante Wasserabführung während der gesamten Laufleistung zu gewährleisten.

Die neue Strategie der Franzosen wirkt auf den ersten Blick verblüffend, denn eigentlich müsste der Konzern ein Interesse haben, möglichst viele Reifen zu verkaufen. Indem nun die Laufleistung verlängert wird, werden auch weniger Reifen verkauft. ,,Wir haben das ja schon einmal erlebt, als wir den ersten Gürtelreifen auf den Markt gebracht haben. Auch damals gingen die Verkäufe zunächst zurück, um danach wieder anzuziehen", erklärt ein Markensprecher. Ähnliches, so die Erwartungen der Franzosen, wird geschehen, wenn die ,,Kunden wissen, dass sie mit unseren Reifen bis zum Erreichen der Mindestprofiltiefe sicher unterwegs sind." Schließlich würde, wenn diese Test verbindlich werden, der eine oder andere Billiganbieter aus den Regalen verschwinden, und die neue Strategie aufgehen.

Für diese neue Ausrichtung hat Michelin auch die Unterstützung vom Präsidenten des Internationalen Automobilverbands (FIA), Jean Todt: ,,Das vermehrte Angebot von Produkten mit einer langen Leistungsfähigkeit trägt dazu bei, sowohl Rohmaterialien als auch das Geld der Konsumenten einzusparen." (ampnet/ww)

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