Fahrbericht Honda CB 1000 R - Streetfighter mit Komfortanspruch

Nicht nur mit ihrem kurzen Heck vermittelt die Honda CB 1000 R eine gewisse Spur von Aggressivität. Doch ihre Stärken liegen eigentlich ganz woanders.

Wer sich heute für ein unverkleidetes Motorrad entscheidet, ein so genanntes naked bike, greift entweder zu einem neu aufgelegten Klassiker wie die Kawasaki Z 900 RS oder zu einem Streetfighter für die ambitioniertere Kurvenhatz. Honda hatte für diese Klientel bis 2016 die CB 1000 R im Programm, die 2017 nicht mehr angeboten wurde, obwohl die Nachfolgerin noch nicht fertig war. Für die laufende Saison haben die Japaner es aber geschafft und ein in seinen Grundfesten erneuertes Bike vorgestellt, das auch wieder CB 1000 R heißt. Neben dem Styling hat auch der Motor Änderungen erfahren, basiert er nun doch auf dem des Supersportlers Fireblade des Jahres 2004.

Wichtiger aber noch ist die Schlankheitskur, die der CB 1000 R widerfuhr. Sie hat im Vergleich zur Vorgängerin zwölf Kilo abgespeckt und bringt nur noch 214 Kilo vollgetankt auf die Waage. Zudem wurde sie mit den heutzutage üblichen elektronischen Helferlein ausgestattet: Die drei voreingestellten Fahrmodi ,,Rain", ,,Standard" und ,,Sport" variieren die Gasannahme und passen Traktionskontrolle und Motorbremsmoment entsprechend an. In einem vierten Modus kann der Fahrer die Einstellungen frei kombinieren. Vom Rahmen, der nun aus Stahlprofilen besteht, sieht man von außen wenig; vielmehr fangen Kühlerblende, eine weitere Alublende unter dem Tank sowie der massige Auspuffendtopf den Blick des Betrachters und vermitteln eine hohe Wertigkeit. Ein weiteres auffälliges optisches Moment ist das kurze Heck und der an der hübschen Einarm-Schwinge befestigte Kennzeichenhalter, der zudem als Spritzschutz bei Nässe dient.

Dass Honda mit der CB 1000 R keinen Sportler ohne Verkleidung auf die Räder gestellt hat, spürt man schon beim Aufsitzen und den ersten Metern Fahrt. Die Sitzposition ist sehr aufrecht, die Lenkerenden kommen den Händen weit entgegen und die Fußrasten sind recht weit vorn angebaut. Das führt zu einer eher komfortablen denn aggressiven Sitzposition, und nur wenige Fahrer dürften sich ob dieser Position zunächst unwohl fühlen. Die Sozia hat auf dem modern-kurzen Heck freilich weniger zu lachen. Beim Druck auf den Anlasser erwacht ein brummig bollernder Vierzylinder zum Leben, der sein Potenzial bereits ankündigt. Die leichtgängige Kupplung und das erstklassig rastende Getriebe unterstreichen den Komforteindruck; wer die Variante mit Pluszeichen hinter dem Modellnamen ordert, kommt zudem in den Genuss eines Quickshifters, der nicht nur hoch, sondern auch runterschaltet, ohne dass man die Kupplung ziehen muss.

Die neue CB 1000 R bereitet also wenig Anpassungsprobleme: Der Vierzylinder läuft gewohnt vibrationsarm, zieht mächtig voran und dreht willig bis 12.000 Touren hoch. Dabei legt er eine Eigenheit auf die Straße, die ein wenig erstaunt, denn ab rund 4.000 Touren gibt er sich etwas verhalten, um dann erst bei 8.000 Umdrehungen mit Schmackes loszulegen und seine 145 PS voll auszuspielen. Damit fehlt beim ambitionierten Landstraßenwedeln in jener Drehzahlspanne zwischen 4.000 und 8.000 Touren ein wenig die Dynamik, die man von einer 1000er erwarten sollte. Das macht sich auf ebenen Landstraßen kaum bemerkbar, könnte aber bergauf und nach engen Kehren - etwa in den Bergen - durchaus spürbar werden. Was die Gesamtbeschleunigung angeht, liegt der Motor auf dem Niveau des Vorgängers. Dabei gibt er sich recht genügsam und lässt sich auf entspannten Touren unter fünf Liter fahren; wir kamen auf einen Testverbrauch von 5,3 Liter auf 100 Kilometer.

Das Fahrwerk ist mannigfaltig einstellbar und unterstreicht den Komfortanspruch der CB 1000 R. Kleinere und größere Verwerfungen der Fahrbahn werden souverän weggebügelt, in Kurvenfahrten vermittelt es jede Menge Sicherheit und Berechenbarkeit. Griffige und gut dosierbare Vierkolben-Bremsen stehen dem Vortrieb bei Bedarf wirksam entgegen, wobei dem ABS die Schräglagentauglichkeit abgeht. Das LC-Display ist jederzeit gut ablesbar, klar gegliedert und liefert fortwährend den genauen Status der elektronischen Systeme. Über einen Kippschalter an der linken Armatur lassen sich die Modi verändern. Die Blinker verfügen leider nicht über einen automatischen Rücksteller.

Optisches Bonbon ist der große Kühler vor dem Reihenvierer mit seinen matt schimmernden Blenden an den Seiten, der der Honda optische Eigenständigkeit verleiht. Von vorne erledigt dies der Rundscheinwerfer mit zweigeteiltem Reflektor und LED-Leuchteinheiten. Wer die 1.500 Euro teure Plus-Variante geordert hat, bekommt neben dem Blipper ein Schutzgitter für den Kühler, Heizgriffe sowie eine metallene Sitzbankabdeckung. Dann liegt man bei 14.495 Euro, bekommt dafür aber ein wertiges, schickes und stilvolles Fahrgerät für fast alle Lebenslagen. Und damit entspricht die CB 1000 R ja exakt der Honda-Philosophie.

Motor: Flüssiggekühlter Vierzylinder-Viertaktreihenmotor, vier Ventile pro Zylinder, Hubraum 998 ccm, Leistung 107 kW/145 PS bei 10.500 U/min, Drehmoment 104 Nm bei 8.250 U/min, Sechsganggetriebe, Kette.
Fahrwerk: Rückgratrahmen aus Stahl, Upside-Downgabel Ø 43 mm, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufe, Einarmschwinge aus Aluminium, verstellbare Federbasis und Zugstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn 310 mm, Vierkolben-Festsättel; hinten 256 mm, Doppelkoleb-Schwimmsattel, Traktionskontrolle, ABS.
Maße und Gewichte: Radstand 1,45 m, Sitzhöhe 83 cm, Gewicht vollgetankt 214 kg, Tankinhalt 16 Liter.
Messwerte: Höchstgeschwindigkeit 230 km/h, Beschleunigung 0 - 100 km/h: 3,4 sek, Testverbrauch: 5,3 Liter/100 km.
Preis: 12.985 Euro.

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