Historie und Histörchen (42): Erich Bitter brachte die Branche zum Staunen

Noch zur Frankfurter Automobil-Ausstellung im September 1973 fühlte er sich als ungekrönter König. Erich Bitter hatte sein großes Coupe auf der technischen Basis des Opel Diplomat vorgestellt, ausgerüstet mit einem riesige V8-Motor, eingekleidet mit einem Maßanzug von George Gallion. Mit einem Preis von 58 400 Mark war der Bitter ,,CD" damals das teuerste deutsche Automobil. Dennoch meldeten sich schon während der Ausstellung 176 Kunden. Eine ganze Branche staunte über den Erfolg. Bis zum Jahresende waren alle geplanten 1000 Exemplare verkauft. Doch dann begann die Ölkrise, und die Kunden stornierten ihre Aufträge.


Erich Bitter begann wieder ganz von vorn. Dieser Mann, der die Autobranche hinauf und wieder hinunterrutschte, feierte in diesen Tagen seinen 84.Geburtstag: frisch, dynamisch, sportlich und voller Kreativität.

Erich Bitter, ältester Sohn eines Fahrradhändlers in Schwelm, wurde nach Abschluss der Schule natürlich Radrennfahrer, musste aber wegen gesundheitlicher Probleme umsatteln - zum Autorennfahrer. Auf NSU Prinz, Saab, Volvo und Abarth fuhr er schöne Renn-Erfolge ein. Nebenher baute er sich weitere Existenzen auf: etwa ,,Rallye- Bitter", die Firma, die als erste Accessoires für Rennfahrer anbot und eine NSU-Vertretung, die später Saab vertrat. Sein Wunsch, Abarth-Generalimporteur für Deutschland zu werden, erfüllte sich nicht. Dafür wurde er deutscher Generalimporteur für die neue italienische Marke Intermeccanica. Weil deren Autos so schlecht verarbeitet waren, er andererseits als Rennfahrer Kontakte zu Opel bekam, wurden die Ford-Motoren in dem Intermeccanica gegen Opel-Motoren ersetzt.

Zur selben Zeit wollte Opel den Verkauf der großen Modelle Kapitän, Admiral und Diplomat ankurbeln. Das führte letztlich dazu, dass Opel-Verkaufsvorstand Bob Lutz dem Erich Bitter einen Vertrag gab, der ihn dazu berechtigte, Opel-Mechanik zu kaufen. Bitter erhielt alle Pläne, die Frua für ein Diplomat-Coupe erarbeitet hatte. Man kam überein, sich die Entwicklungskosten für ein solches CD-Coupe zu teilen. Mit dem Opel-Designer George Gallion begann Bitter, ein eigenes Auto zu entwerfen. So entstand mit der Mechanik des Opel Diplomat nach den Plänen von Bitter ein viersitziges Coupe mit weit heruntergezogener Front, mit Klappscheinwerfern, rahmenlosen Seitenfenstern und einem Schrägheck, bei dem das riesige Rückfenster als Heckklappe diente.

Zum Frankfurter Automobilsalon im September 1973 feierte der ,,Bitter CD" seine Weltpremiere. Erich Bitter konnte die besagten 176 Bestellungen notieren. Die Zahl passte zu dem Rahmen, den Bitter mit der Stuttgarter Karosseriefirma Carl Baur vereinbart hatte. Innerhalb von fünf Jahren sollten 1000 Exemplare entstehen. Geplant war es, das Auto über Opel Haupthändler zu verkaufen. Doch mit der Ölkrise kam eben alles anders. Dennoch lief im Dezember 1973 bei Baur die Produktion an.

Erich Bitter übernahm selbst den Verkauf. Im Krisenjahr 1974 verkaufte er 95 Wagen. Und er gewann eine Menge prominenter Kundschaft, etwa die Fußball-Nationalmannschaft oder prominente Skiläufer. Dank solider Verarbeitung und hoher Qualität setzte sich der Bitter CD durch. (Maße: 4,855 x 1,845 x 1,285 m, Radstand 2,68 m) Im Bug arbeitete der serienmäßige Achtzylindermotor des Opel Diplomat mit 5,4 Liter Hubraum und 230 PS, nachgerüstet mit einem zusätzlichen Ölkühler, einem Hochleistungsquerstrom-Kühler und doppeltem Elektrolüfter.

Besonders stolz war man bei Opel auf das Diplomat-Fahrwerk mit De Dion-Hinterachse und innenbelüfteten Bremsscheiben. Damit erreichte der 1760 kg schwere Wagen eine Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 9,5 Sekunden und eine Spitze von 220 km/h. Allerdings war der Motor durstig: Normverbrauch 21,8 l/100 km. Bis Frühjahr 1980 wurden insgesamt 395 Autos gebaut und verkauft. Doch dann brach die Nachfrage ab. Der Grund: Opel hatte seine große Baureihe 1977 wegen mangelnder Nachfrage eingestellt und Erich Bitter konnte aus diesem Grunde auch keine CD-Mechanik mehr kaufen. Zudem kreisten schon Gerüchte um einen neuen großen Opel.

Schon 1978 machte sich Erich Bitter Gedanken über einen CD-Nachfolger. Nach dem Wegfall der großen Baureihe gab es im Opel-Programm den kleineren Senator und das Coupé Monza mit Sechszylinder-Motor, im Grunde Luxusausführungen des Mittelklasse-Modells Omega. Erich Bitter entwarf nun ein viersitziges Coupé mit kleineren Abmessungen auf der technischen Basis des Senators (Maße: 4,91 x 1,82 x 1,33 m, Radstand 2,863 m, Leergewicht 1560 kg). Auch hier half schließlich die Opel-Designabteilung unter der neuen Führung von Henry Haga. Der italienische Designer Giovanni Michelotti wurde schließlich von Bitter beauftragt, das erste 1:1-Gipsmodell zu schaffen, danach auch einen fahrfertigen Prototypen und später die Serienproduktion vorzubereiten.

Doch der starke Raucher Michelotti, geboren 1921, erkrankte an Lungenkrebs und verstarb völlig unerwartet. Er hinterließ unbrauchbare Zeichnungen und einen völlig unfertigen Prototypen des nun "Senator-Coupé" (SC) genannten Wagens. Auch Werkzeuge waren nicht vorhanden, obwohl bereits von Bitter bezahlt. Rund acht Millionen D-Mark für rund 200 Werkzeuge waren vergeblich ausgegeben worden.

Erich Bitter musste wieder ganz von vorn anfangen, konnte aber das Geld dafür nicht mehr allein aufbringen. So nahm er Teilhaber auf, unter anderem einen thüringischen Industriellen. Immerhin schaffte es Erich Bitter zur Frankfurter Automobil-Ausstellung (IAA) 1979, ein erstes fahrbereites Modell zu zeigen. Als Karosseriehersteller wählte Bitter die italienische Firma Ocra aus, als Innenausstatter die Firma Salt in Turin. 1981 schien die Produktion geregelt. Man übernahm die Mechanik des Opel Senator diesmal komplett und unverändert. Doch die Qualität der Produktion bei Ocra war katastrophal. Erich Bitter entzog den Italienern den Karosserieauftrag und wechselte zu Ilca Maggiora.

Aber nach einiger Zeit musste der Bau wegen mangelnder Kundennachfrage abgebrochen werden. Nun versuchte Erich Bitter, neues Kapital über die New Yorker Börse aufzutreiben. Doch ein ganz besonders cleverer Börsenhändler wollte schon vorher mit der Bitter-Aktie Geschäfte zu machen, was wiederum die Börsenaufsicht gegen Bitter aufbrachte.

Er versuchte es wieder mit Autotypen, die seinen Namen trugen und immer auf Opel-Mechanik beruhten. Sogar ein Mittelmotor-Sportwagen war dabei. Bei der Opel-Mutter General Motors hatte er einen gewichtigen Fürsprecher: Bob Lutz. Der Vice-President riet ihm zuletzt, doch die Limousine ,,Statesman" der australischen GM- Tochter Holden zu verfeinern. Unter dem Namen ,,Bitter Vero" zeigte Bitter auch einen Prototypen. Doch für die Serienproduktion fehlte das Geld - und die Kunden. Mitte der 90er Jahre zog sich Bitter ganz aus dem Autobau zurück und übernahm Entwicklungsaufträge, unter anderem für Volkswagen.

Erst kürzlich war er mal wieder in der Öffentlichkeit zu sehen - als Jurymitglied der Bensberger Oldtimertage im Schloßhotel Bensberg. (ampnet/hr)

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