Kommentar zum Uber-Unfall: Lasst doch die Kirche im Dorf!

In einem sind wir uns wohl alle einig: Jeder Verkehrstote ist einer zu viel. Doch leider sind sie zur Gewohnheit geworden. Wenn zum Beispiel ein achtjähriger Junge - wie gestern geschehen - in der Kleinstadt Hennef an der Sieg von einem Omnibus überrollt wird und stirbt, schafft es dieser tragische Unfall allenfalls auf die Lokalseite des örtlichen Rhein-Sieg-Anzeigers oder in die "Lokalzeit" der "Aktuellen Stunde" des Westdeutschen Fernsehens.

Anders, wenn im fernen Kalifornien eine Frau im Dunkeln mit ihrem Fahrrad auf die Straße gerät und dort von einem Auto erfasst und tödlich verletzt wird. Dann ist das Geschrei hier zu Lande besonders groß und die Nachricht geht als Aufmacher-Meldung über Presse, Funk und Fernsehen in deutsche Wohnzimmer. Dabei ist der unselige Vorfall gut 13 Flugstunden oder mehr als 9000 Kilometer von Deutschland entfernt passiert.

Und warum das Aufsehen? Die bedauernswerte Amerikanerin wurde von einem Auto von Uber, dem Online-Vermittlungsdienst für Mietwagen mit Chauffeur erfasst, das zum Unfallzeitpunkt im Selbstfahrmodus - aber mit Kontrolleur am Lenkrad - unterwegs war. Ein gefundenes Fressen für alle Bedenkenträger, die dem technischen Fortschritt skeptisch gegenüberstehen.

,,Uber-Unfall heizt Sicherheitsdebatte über autonomes Fahren an", titelte ,,Handelsblatt online", das ,,manager magazin" schlug fast wörtlich in die gleiche Kerbe. ,,Folgenschwere Tage für die Tech-Branche" unkte die Süddeutsche Zeitung. ,,Der tödliche Unfall eines autonomen Uber-Autos könnte den Weg zu selbstfahrenden Autos stark beeinflussen", berichtete die Tagesschau. Die Tageszeitung "Die Welt" fragte sich gar: ,,War das der Anfang vom Ende der autonomen Mobilität?" und kam zu dem Schluss: ,,Der Unfall hat gravierende Folgen für die Branche."

Sogar als sich nach und nach die Meldung durchsetzte, dass laut US-Polizei der ,,Zusammenstoß schwer zu verhindern" gewesen wäre - wie die ,,Frankfurter Allgemeine Zeitung" schließlich doch noch schrieb - blieb es zumeist hartnäckig beim Versuch, der autonomen Fahrweise von Uber am Zeug zu flicken. Weil die US-Cops sich beispielsweise weigerten, ein Video vom Unfall rauszurücken, kam die Tränendrüse ins Spiel. ,,Es kann natürlich kein öffentliches Interesse daran bestehen, die Sekunden zu zeigen, in denen eine offenbar obdachlose Frau von einem Luxus-SUV überfahren wird, als sie ihr mit Plastiktüten voll Habseligkeiten schwer beladenes Fahrrad über die Straße schieben will", hieß es hämisch. Fazit: ,,Kein Persilschein für Uber" urteilte ein Handelsblatt-Korrespondent aus Kalifornien. Warum? Das Uber-Auto hatte statt der erlaubten 35 Meilen pro Stunde mit 38 drauf, war also umgerechnet 4,8 km/h zu rasant unterwegs.

Lasst doch die Kirche im Dorf und stellt das Schlechtreden von neuen Techniken ein! Das bringt nichts. Dagegen können Fachleute wie Stefan Bratzel, Professor für Automobilwirtschaft an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach, Öl auf die Wogen gießen. ,,Nach meiner Einschätzung wird dieser Unfall nicht zu einem schweren Rückschlag führen, weil wohl auch ein ganz normaler Fahrer den Unfall nicht hätte vermeiden können", diktierte er heute dem ,,Kölner Stadtanzeiger". Und: ,,Autonome Systeme werden vielleicht zu 98 Prozent fehlerfrei funktionieren, aber die zwei Prozent muss man auch beachten." (ampnet/Sm)

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