CES 2018: Automobiles Glücksspiel

,,Was in Las Vegas passiert, bleibt in Las Vegas", ist ein gerne zitiertes Motto in der Wüstenmetropole, die sich dem Glücksspiel und dem Exzess verschrieben hat. Für die Consumer Electronics Show (CES, bis Freitag, 12. Januar 2018) soll dies allerdings nicht gelten: ,,Was in Las Vegas passiert, bleibt nicht in Las Vegas," proklamierte Mercedes-Benz-Chef Ola Källenius diese Woche mit Blick auf die dort gezeigten Technologien und Exponate.

Tatsächlich hat Daimler einiges zu bieten: Eine teilautonom fahrende S-Klasse beendet hier ihre Weltreise, die von der IAA bekannte Smart-Studie Vision EQ Fortwo dreht vollautomatisch ihre Runden und die komplett neuentwickelte Nutzeroberfläche der kommenden A-Klasse feiert Weltpremiere. Sie zeichnet sich durch eine sehr intuitive Spracheingabe und eine Vielzahl neuer Funktionen aus; das Design wurde stark modernisiert.

Der Daimler-Auftritt umreißt die zwei wichtigsten Trends auf der CES: Elektrifizierung und autonomes Fahren. Die Wurzeln der CES in der Unterhaltungselektronik und die Nähe zum Großraum Los Angeles sowie zum Silicon Valley prädestinieren sie dafür. Hier treffen sich die Entwickler, Programmierer und Zukunftsforscher, um Strömungen aufzunehmen und Kontaktpflege zu betreiben.

Auch die asiatischen Hersteller profilieren sich mit spannenden und anspruchsvollen Neuvorstellungen. Toyota zeigt das autonome, elektrische Fahrzeug e-Palette Concept und erweitert die im vergangenen Jahr gestartete Concept-i-Serie um zwei zusätzliche Modelle. Kia zeigt die Studie einer vollelektrischen Variante des Kompaktwagens Niro, während Hyundai mit dem Nexo ein eigenständiges Modell mit einer wasserstoffgetriebenen Brennstoffzelle lanciert.

Honda präsentiert Robotertechnik und einen elektrischen ATV, Nissan wiederum kündigt eine Technologie an, mit der Hirnsignale detektiert und ausgewertet werden können. Schon heute wird am Nissan-Stand Cappuccino gereicht, der mit Schokoladenpulverdekor in Form des zuvor abfotografierten Konsumenten auftrumpft.

Volkswagen-Markenchef Herbert Diess kündigte bereits am Vorabend der CES gemeinsam mit dem Chef des Dienstleistungsunternehmens und Chipherstellers Nvidia, Jensen Huang, eine Offensive ,,künstlicher Intelligenz" im Automobil an. Ford wiederum überrascht mit autokritischen Überlegungen, die in Europa übrigens seit den 70er-Jahren formuliert werden: Wo sich ,,die Menschen einst in Straßen und auf Plätzen getroffen haben, gibt es jetzt mehrspurige Schnellstraßen", beklagt Firmenchef Jim Hackett. Diese Orte müssten ,,den Menschen zurückgegeben werden" - offenbar indem man sie aus ihren eigenen Autos vertreibt und sie auf autonome, elektrische Fahrzeuge verteilt, die zu einer ,,sharing economy" gehören.

Einen ambitionierten Blick in die Zukunft gewähren die neuen Marken Faraday Future und Byton, beide mit chinesischen Geldern gestartet und mit deutschen Ingenieuren und Designern ausgestattet. Faraday Future hat mit dem FF91 einen veritablen Tesla-Killer hingelegt: Schneller, leistungsfähiger und konsequenter ausgelegt als ein Model X. Doch der Firma geht das Geld aus; sie erleidet derzeit einen Exodus hochkarätiger Manager.

Optimistischer ist man bei Byton; das in Las Vegas gezeigte Concept Car mit riesigem Bildschirm soll so ähnlich in Serie gehen. Und Ankündigungsweltmeister Henrik Fisker zeigt das Modell EMotion, das - leider erst ab 2023 - mit ,,revolutionärer Batterietechnik" aufwarten soll. Diese Marken setzen auf den Durchbruch der E-Mobilität; sie müssen damit kämpfen, dass niemand auf sie gewartet hat und dass sie auf starke Konkurrenz stoßen werden: Die etablierten Hersteller werden die Elektro-Nische demnächst selbst höchst kompetent bespielen.

Eine Reihe von Zulieferern präsentierte die neuesten Ideen, um den gewaltigen Herausforderungen gerecht zu werden; bei ZF war beispielsweise ein Opel Astra Kombi zu sehen, der unter der Bezeichnung ,,Dream Car" eine Vielzahl von Sensoren und Kameras kombiniert und mit einer lernenden Software ausgerüstet ist.

Bei der Einführung der E-Mobilität gibt es viele kreative Lösungen, deren Potential nicht ausgeschöpft ist. Boris von Bormann, CEO von Mercedes-Benz Energy Americas, geht davon aus, dass sich die Zahl der benötigten Ladesäulen mit prädiktiver Software deutlich reduzieren lässt. Und für die Nutzung von Elektroautos als Energiespeicher könne es finanzielle Anreize geben.

Der Plug-in-Hybrid, so von Bormann, kann für bestimmte Nutzer, Regionen und Anwendungszwecke übrigens mehr als eine Übergangslösung sein. Denn man kann den Ausbau der Ladeinfrastruktur und die Auslegung der Batteriemodule zurückhaltender und umweltfreundlicher gestalten, wenn man bestimmte Extremanforderungen über einen komplementären Verbrennungsmotor abdeckt.

Eines steht fest: Die E-Mobilität wird teuer, und autonome Fahrzeuge sind entwicklungsseitig noch weit von der Serienreife entfernt. Hinzu kommen politische Unwägbarkeiten: Die Trump-Regierung hat die einst so unerbittliche Umweltbehörde EPA stark entmachtet, der Industrie fehlen damit Ansprechpartner und Planungssicherheit. Und je mehr moderne Fahrzeuge auf Elektronik setzen, desto vordringlicher treten Sicherheitsprobleme wie die jüngst entdeckte Malware ,,Spectre" und ,,Meltdown" in den Vordergrund. Sie gefährden nicht nur die Datensicherheit, sondern auch die Leistung betroffener Systeme.

Einstweilen kämpft die CES - die Messe, die sich wie keine andere selbstbewusst als Vorreiter begreift - mit profaneren Problemen: Am Dienstag wurde die von Google für Technikdemonstrationen vorbereitete Außenfläche geschlossen, weil es regnete. Und am Mittwoch fiel der Strom aus. Die Zukunft bleibt in Las Vegas eben ein Glücksspiel. (ampnet/jm)

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