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Volkswagens rassige Tochter gibt Gas

Nicht immer waren die Verantwortlichen im VW-Konzern auf die Marke Seat gut zu sprechen. Das hat sich inzwischen grundlegend geändert. Bei der Präsentation des neuen Ibiza wurde deswegen nicht mit Lob gespart.

Als Bernard Bauer, der Geschäftsführer von Seat Deutschland, vor die Journalisten tritt, um über den neuen Ibiza zu reden, springt das Selbstbewusstsein der Marke nahtlos auf ihn über. Er kann nicht aufhören, über die positive Entwicklung seines Unternehmens und über den Erfolg des Ibiza zu schwelgen. Über 5,4 Millionen Ibiza seien seit dem Start dieser Modellreihe im Jahr 1984 gebaut worden. Und schon legt der neue Spross der fünften Generation einen grandiosen Start hin.

Aber der VW-Tochter ging es nicht immer so gut. Noch vor ein paar Jahren schwächelte die Marke so signifikant, dass damals Gerüchte laut wurden, die Mutter Volkswagen würde sich von der spanischen Tochter gern trennen oder das Werk in Martorell bei Barcelona dichtmachen. Als die Produktionszahlen einfach nicht an Höhe gewannen, schickte VW kurzerhand im Mai 2013 den deutschen Manager Jürgen Stackmann, den sich der Konzern 2010 von Ford geangelt und dann erst einmal als Skoda-Vorstandsmitglied für Verkauf, Marketing und Service eingesetzt hatte, an die Front in Spanien. Offensichtlich gelang Stackmann genau das, was von ihm erwartet wurde: Die rassige Tochter Seat blühte auf. Auch für Stackmann hat sich der Einsatz gelohnt, denn seit November 2015 verantwortet er als Markenvorstand bei VW Personenwagen die Sparten Vertrieb, Marketing und After Sales.

Die neu gewonnene Schubkraft bei Seat war auch auf dem deutschen Markt zu spüren. Die Zulassungen schnellten ausgehend von 2012 im Folgejahr eben mal um rund 15.000 Autos nach oben. Am Ende von 2013 zählten die fleißigen Statistiker des Kraftfahrtbundesamtes 83.364 neu zugelassene Einheiten mit dem Markenemblem von Seat. 2014 legten die Verkäufer weitere 10.000 Zulassungen drauf. Bei diesem Zuwachs ist es kein Wunder, dass die Sprünge danach kleiner wurden. Immerhin kratzten die Spanier Ende 2016 sogar schon an der 100.000er-Marke. Momentan sind die Modellreihen Leon und Ibiza zahlenmäßig die stärksten Bringer. Im Marketing rechnen die Experten allerdings damit, dass der Trend zu kompakten SUV's den Schwerpunkt hin zu Ateca und Arona verlagern wird: Beide Seat-Modelle werden in absehbarer Zeit den Blinker setzen und die bisherigen Spitzenreiter überholen.

Und was macht Seat für den Käufer so interessant? Da ist zunächst der technische Aspekt. Da die Technik nahezu komplett aus dem Regal des Volkswagen-Konzerns entnommen ist, gehen die Kaufinteressenten kaum ein Risiko ein. Die Großserienteile sind millionenfach bewährt und kostengünstig - da tun sich Kleinserien schwerer. Der Ibiza ist das erste Modell im VW-Konzern, das auf der so genannten MQB A0-Plattform basiert. Seat-Geschäftsführer Bauer sieht darin den Beweis, dass die Mutter in seine reizvolle spanische Tochter sehr viel Vertrauen setzt. Ganz anders als es noch vor ein paar Jahren war.

Ob Seat seinen Schwung am Markt in erster Linie aus diesem rationalen Grund der quer im Unternehmen genutzten Technik generiert, ist eher fraglich. Wie es scheint, überwiegt wohl der emotionale Aspekt. Während VW trotz seines modernen Auftritts eher die konservativen Käufer begeistert, lockt das Seat-Design mehr die progressiven Kunden in den Laden. Auch der neue Ibiza geizt nicht mit optischer Schärfe. Das als Seat Markengesicht hochstilisierte Erscheinungsbild mit den als Dreiecken ausgearbeiteten Leuchteinheiten an Front und Heck scheinen den Interessenten zu gefallen. Irgendwie sehen die Seat-Varianten immer etwas schneller aus als ihre VW-Serienbrüder.

Nicht einfach zu bewerten ist der Unterschied im Image. Während VW und Audi durch den "Dieselskandal" in der öffentlichen Wahrnehmung stark gelitten haben, ging der Spuk an Seat irgendwie vorbei. Seat wird im Zusammenhang mit den fiesen Mauscheleien öffentlich eher nicht in Verbindung gebracht. Klar, die Verunsicherung der Käufer, ob sie sich jetzt noch einen Diesel kaufen sollen, besteht - obwohl der Diesel an sich mit zur Verfügung stehender Technik weit unter die Grenzwerte gedrückt werden kann. Doch ist unklar, was die Politik daraus machen wird - das trifft Seat ebenso wie alle anderen Autobauer. Allerdings haben die "Spanier" als Ausgleich einen nahezu unschlagbaren Trumpf im Angebot: Modelle mit Erdgasantrieb.

Das spürt auch Seat Geschäftsführer Bauer. Mit zufriedener Miene macht er es am neuen Ibiza fest, der ab Ende 2017 ebenfalls mit CNG-Motor zu haben ist. Bauer: "In den ersten zehn Produktionswochen des 1.0-TGI haben wir schon so viele Erdgas-Modelle verkauft, wie im kompletten vergangenen Jahr." Dieser Trend wird auch den Ibiza erfassen. Der umweltschonendere Gas-Motor mit 90 PS könnte also in Zukunft bei Seat eine starke Alternative zu den Benzin- und Dieselmotoren werden. Wobei der Dieselmotor in Kleinwagen wie dem Ibiza, hier in Deutschland ohnehin noch nie eine so große Rolle gespielt hat wie in Frankreich und im südlichen Europa. So gibt VW's rassige Tochter dann im wahrsten Sinne Gas.

Klaus Brieter / mid

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