Auto Shanghai 2017

Glosse Shanghai 2017: Der Fortschritt lebt in China

Vor vier Tagen überraschte unseren Autor bei der New York International Auto Show die Abwesenheit von großen Gedanken oder Strategien zur Elektrifizierung, zur Konnektivität und zum autonomen Fahren. Sein Fazit zu New York: Der Fortschritt macht Pause. Ein Osterwochenende später kann jeder sehen, wo der Fortschritt steckt. Er ist in China und beherrscht die Messe Auto Shanghai, über die sich ab Donnerstag bis zum Freitag kommender Woche Menschenmassen bewegen werden, die des volkreichsten Staates würdig sind.


Wer dem Mainstream folgt und daher das Bild verinnerlicht hat, die deutsche Industrie hätte sich vom internationalen Wettbewerb in Sachen Technologie in jeder Beziehung abhängen lassen, der sollte diese Messe besser nicht besuchen. Sie könnte sein Weltbild erschüttern. Es sind die deutschen Hersteller und Zulieferer, die hier den Weg in eine bessere Zukunft der Mobilität aufzeigen. Dass sie alle gerade in Shanghai zeigen, warum sie an der Spitze der Entwicklung stehen, hat zwei Gründe: Erstens ist China der größte Markt für deutsche Autos und zweitens geht gerade hier in Sachen Konnektivität, Apps und anderer Zusatznutzen die Post ab - wenn der Name einer solch archaischen Unternehmung in dieser Umgebung befremdlich erscheinen muss,

Alle deutschen Hersteller sind sich einig: 2025 wird ein erstaunlich großer Anteil der dann ausgelieferten Fahrzeuge einen Elektroantrieb haben - entweder als Plugin-Hybrid oder mit rein aus der Batterie lebendem Elektroantrieb. Allein Volkswagen will 2015 erstmals1,5Millionen Elektrofahrzeuge bauen. Andere nennen für diesen Zeitpunkt in - nur - sieben Jahren Anteile von 20 Prozent und mehr am Produktionsvolumen.

Alle kündigen eine Elektrooffensive an. Um die zum Erfolg zu führen, werden sich die Marketingexperten der Unternehmen mindestens ebenso in Zeug legen müssen, wie die Entwickler. Denn bei einer aktuellen Zulassungsquote für Elektrofahrzeuge von unter einem Prozent in 2016 scheint der jetzt angekündigte Massenmarkt doch noch sehr weiter weg als sieben Jahre. Übrigens: Auch die in Deutschland immer so viel gepriesenen Elektro-Initiativen in China haben auch noch nicht so recht gegriffen. Im vergangenen Jahr lag die Zulassungsquote auch nur bei 1,4 Prozent.

Doch auch die Chinesen machen Druck, wollen ihre Innenstädte vom Verbrenner entlasten. Und die deutschen Hersteller müssen die EU-Vorgabe von 95 Gramm Kohlendioxid-Emissionen schon bald erfüllen. Das wird keiner, der ein komplettes Modellprogramm fertigt, schaffen, ohne die Elektromobilität. Sonst kassiert die EU massive Strafzahlungen ab. Also lautet der Dreiklang bei allen: Elektroantrieb, Konnektiviät und autonomes Fahren.

Shanghai zeigt das ehrliche Bemühen, nun einen Ansatz zu finden, viele Elektroautos auf die Straße zu bringen. Dabei wird nun nicht nur technisch, sondern auch in Marketing-Kategorien gedacht. Daimler-Chef Dieter Zetsche hat das schon vor Monaten auf den Punkt gebracht: Elektroautos dürfen nicht noch Verzicht riechen. Er tat gut daran, denn gerade bei asiatischen Herstellern hatte sich eine Übung eingeschlichen, die es dem Elektroauto sehr erschwert hat, nicht nur als grüne Pflicht, sondern auch als Spaß empfunden zu werden. Mikromobile und solche mit zwar einem speziellen, aber langweiligen Design waren die Lösungen für die Wenigen, denen der alternative Auftritt ausreichte.

Beim in Shanghai gezeigten Porsche Panamera Plug in gibt es Leistung satt und einen Allradanrieb obendrauf. BMW geht mit seinen e-Performance-Modellen einen ähnlichen Weg. Indem dies Münchner zeigen, dass dank Elektromotor nach mehr Leistung aus einem BMW zu holen ist. Das Verzichtargument wankt.

Wie ernst es den Unternehmen ist, der Welt zu zeigen, wo beim Elektroantrieb vorn ist, lässt sich am Beispiel des Volkwagen-Konzerns belegen. Traditionell lädt der am Vorabend des ersten Pressetags einer Messe Gäste und Journalisten zu einer Vorabbesichtigung der Neuen ein. Die ersten drei, die auf die Bühne rollten und ausführlich gewürdigt wurden, waren die Studie Skoda Vision E, dann der Volkwagen I.D, Cross und der Audi E-Tron Sportback - alle keine Verzichtmobile und alle drei dicht an der Serie. Im kommenden Jahr und im nächsten Jahr. Und zum Abschluss der nach den E-Mobilen kurzgehaltenen Schau folgte Sedric, die einzige Studie, die je vom Konzern und nicht von den Marken entwickelt wurde.

Aus dem Mainstream wird auch dieses Mal wieder die Frage kommen: Warum erst jetzt? Von der winzigen Zahl derer, denen die Alternative über alles geht, kann keine Industrie leben. Gesucht und gefunden werden muss der Massenmarkt. Von dem muss die Nachfrage kommen, von möglichst vielen von uns.

Für seine Marke Skoda wählte Bernhard Maier eine Formulierung, die hoffentlich für alle gilt: Skoda verwende eine Technologie erst, wenn die zuverlässig arbeiten, dem Kunden einen Nutzen bringe und bezahlbar sei. Der Satz klingt bodenständiger als er ist; den werden nicht nur die Vorstandskollegen in seinem Konzern unterschreiben. Dennoch passt es, dass der Satz gerade von Skoda kommt. Die wollen ihre Studie Vision E 2019 auf dem Markt bringen, also in demselben Zeitraum, in dem auch I.D.-Modelle und der Audi E-Tron Sportback anlaufen. Skoda wählte für sein E-Mobil ein Design, wie es sich aus den aktuellen Modellen wie dem Superb ergibt. Revolutionär ist das nicht, aber ambitioniert, ohne abgehoben zu sein. Da gehen der Audi und das I.D.-SUV. Beide erlauben sich eine futuristische Designsprache, schaffen Autos, die groß sind und mit großen Rädern große Leistung auf die Straße bringen. Strom soll Spaß ins Fahrerleben bringen.

Wenn nun auch noch der Preis stimmt und erst einmal der Schrei nach Tausenden Ladesäule verstummt ist, bekommt das Elektroauto seine Chance. Was nicht bedeutet, dass klassische, mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren angeriebene Autos überflüssig würden. Soll jeder nach seine Facon glücklich werden; soll jeder das Auto finden, das in seinem Umfeld und für seinen Bedarf das richtige ist. Dass die deutsche Automobilindustrie auch in dieser Hinsicht in der Spitze spielt, zeigt das Facelift zu Mercedes-Benz S-Klasse. Die Welt hat wieder ein Fahrzeug, das man ungestraft das beste der Welt nennen darf.

Auch dieses teilautonome Gefährt Auto mit den seherischen Fähigkeiten, dieser Geistesblitz auf Rädern mit perfekter Konnekivität, einem breite Angebot an Apps und Dienstleistung und den am weitesten entwickelten Fahrer-Assistenzsystem ist ein weiteres Bespiel dafür, dass die deutschen Hersteller zurzeit - und hoffentlich noch lange - in der Spitze spielen. Bei der S-Klasse mögen die Chinesen Größe, Kraft und Komfort, am meisten aber seine Technologie-Verspieltheit. Denn kein Land der Welt bietet ein breiteres Spektrum an Internet-basierten Dienstleistung gerade fürs Auto. (ampnet/Sm)

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