Glosse: Skoda und die Erfindung des Rads

So kennen wir die Skodas. Sie treten immer zurückhaltend auf, selbst gestern, als sie im Volkswagen-Forum in Berlin Mitte eine viermonatige Ausstellung rund um Historie, Technologie, Sport und Produkte eröffneten. Seit mehr als einem Vierteljahrhundert gehören sie zum Volkswagen-Konzern und haben sich bisher nie in den Vordergrund gedrängt. Skoda war stets die brave Tochter, die Geld ablieferte und Respekt vor der Mutter zeigte. Nie haben die Frauen und Männer in Mlada Boleslav, dem Hauptquartier der Marke, den Eindruck erweckt, man wolle in Tschechien das Rad neu erfinden.

Auch Skoda-Chef Bernhard Maier positioniert seine Marke bewusst als ,,fast follower", wenn er - wie jetzt in Berlin - sagt: ,,Skoda setzt neue Technologien immer dann ein, wenn sie reif und auch bezahlbar sind." Nur in einem Punkt formulieren der Chef und die Seinen offensiver - auch gegen die Konzern-Kollegen. Skoda wolle immer am oberen Ende des Wettbewerbssegments stehen. Damit meint er in erster Linie das Raumangebot: ,,Skoda ist immer ein bisschen mehr Auto."

Doch mit dem aktuellen Superb und dem neuen SUV Kodiak hat Skoda beim Design die Zurückhaltung fallen lassen. Der Slowake Jozef Kaban hat den Skodas ein eigenes, modernes Gesicht gegeben, das den kleiner werdenden Preisunterschied zu den bessergestellten Marken des Konzerns gut überbrückt. Kaban hat jetzt das Design bei BMW übernommen. Dennoch werden die nächsten Modelle seinen Stil weitertragen.

Nun wird die Marke auch noch digitalisiert. Dabei geht es nicht um die Sensorik und die Fahrer-Assistenzsysteme aus dem Konzernregal, die alle reif und manchem auch schon bezahlbar sind. Maier nennt die tschechische Hauptstadt Prag einen Hotsport für Start-ups. Mit diesem tschechischem Silicon Valley will Skoda arbeiten. Deswegen hat das Unternehmen jetzt seine eigene Ecke für den Fortschritt eingerichtet - das ,,DigiLAB".

Ideen möchte man sammeln, passende Start-ups finden, mit Inkubatoren reden und mit den Universitäten zusammenarbeiten - immer mit dem Ziel, am Ende ein erfolgversprechendes Geschäftsmodell präsentieren zu können. Chefin des Digilabs ist Jamila Plachá, die für ihre Arbeit vier Schwerpunkte nennt: das Internet der Dinge sowie Produkte und Dienstleistungen, das autonome Fahren und die künstliche Intelligenz samt Deep Laerning. In den kommenden zehn Jahren werde sich bei der Mobilität mehr verändern als in den 50 Jahren zuvor, sagt sie. Die Unternehmenskultur müsse sich daher an die Geschwindigkeit anpassen und die Bereitschaft zu themen- und unternehmensübergreifendem Handeln entwickeln.

Von Digilabs, Start-ups, Hackathons, neuen Mobilitäts-Lösungen, von der Cloud und von der unglaublichen Geschwindigkeit des Wandels sprechen heute nicht nur die Automobilhersteller. In jedem Fall wollen die vorn dabei sein und auf keinen Fall hinterherlaufen. Sieht so aus, als halte es bei diesem Wettlauf auch die Skoda-Entwickler nicht mehr auf ihren Stühlen.

Aus Konzernsicht ist es sehr schlau, alle Marken ins Rennen zu schicken. Der große Tanker Konzern braucht zwar - wie sein Chef Matthias Müller immer wieder versichert - ebenfalls eine neue Unternehmenskultur. Aber die kleineren Marken-Schiffe sind schneller und flexibler.

Ist in dieser Lage das Digilab für Skoda ein weiteres Mittel der Emanzipation? Rund 1,2 Millionen Autos hat die Marke 2016 abgesetzt, gutes Geld abgegeben, mit Technik und Design ein Image aufgebaut, mit dem vor einem Vierteljahrhundert niemand gerechnet hätte und nun geht es um Urheberschaft beim technologischen Wandel. Mal sehen, ob die Tschechen dabei den anderen beiden großen Marken wieder ein Stück dichter auf den Pelz rücken. Immerhin sind dies Zeiten, in denen das Rad neu erfunden werden muss. (ampnet/Sm)

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