Fahrbericht

Honda CRF 1000 L Africa Twin: Wiederauferstehung gelungen

2016 war die neue Honda CRF 1000 L Africa Twin ein großer Erfolg als meistverkauftes Motorrad der japanischen Marke überhaupt. Wer die Neuauflage der einstigen Weltreise-Ikone fährt, kommt schnell zur Überzeugung: Dieser Anfangserfolg könnte noch lange anhalten.

2016 war die neue Honda CRF 1000 L Africa Twin ein großer Erfolg als meistverkauftes Motorrad der japanischen Marke überhaupt. Wer die Neuauflage der einstigen Weltreise-Ikone fährt, kommt schnell zur Überzeugung: Dieser Anfangserfolg könnte noch lange anhalten. 70 kW/95 PS Leistung aus einem effizienten und kraftvollen Twin sind Leistung genug. Das Erfolgsrezept zur Wiederbelebung des Mythos Africa Twin scheint aufzugehen, wie unser Test zeigt.

1988 soll sie das Segment der Adventure Bikes überhaupt erfunden haben, und bis 2000 war sie eines der führenden Bikes für Weltreisen: die legendäre Honda Africa Twin. Gestartet war sie vor knapp 30 Jahren zunächst als XRV 650 - mit deutlich weniger Hubraum, anfangs nur 50 PS und V2-Antrieb. Von 1990 bis 2000 hat sich die Africa Twin dann mit demselben Motorkonzept, aber als 750er zur wahren Reise-Ikone für harte Motorradabenteuer gemausert. Siege bei der Rallye Paris-Dakar sowie der Ruf der Unkaputtbarkeit trugen wesentlich dazu bei. Über 15 Jahre nach ihrem zwischenzeitlichen Aus ist die Africa Twin als neuzeitliches Modell CRF 1000 L wiederauferstanden und inzwischen wieder so beliebt wie eh und je.

Mit relativ bescheidenen 95 PS aus nur einem Liter Hubraum soll die Africa Twin der Neuzeit den großen Reise-Enduros Konkurrenz machen. BMW R 1200 GS Adventure und KTM 1290 Super Adventure haben beide deutlich mehr Leistung und Hubraum. Immerhin fehlen ihr 30 PS auf die BMW und sogar 65 PS auf die KTM. Außerdem hat Honda zum Entsetzen mancher Fans auf den typischen V2 der alten Africa Twin verzichtet. Trotzdem tönt der neue Motor im vertrauten, unregelmäßigen V2-Takt, denn die Hubzapfen sind um 270 Grad versetzt. Seine ausreichende Kraft entwickelt der Reihenzweizylinder stets gleichmäßig und gut beherrschbar - besonders im Gelände ein großer Vorteil gegenüber plötzlichen Leistungsausbrüchen.

Die neue CRF 1000 L Africa Twin ist 41 kg leichter als die BMW, und zur KTM fehlen ihr immerhin 27 kg Speck auf den Hüften. Außerdem baut der Reihen-Zweizylinder sehr kompakt und ermöglicht somit zusätzliche Bodenfreiheit. Damit und mit ihrem riesigen 21 Zoll-Vorderrad ist sie mehr als die Konkurrenz gewappnet für hartes Gelände, wo sich auch ein vorbildlich kleiner Wendekreis positiv bemerkbar macht. Und der Honda-Zweizylinder gibt sich in der Praxis so, wie es man es bei einem Weltreise-Bike erwartet: Stark vor allem in Durchzug und Beherrschbarkeit, weniger in Sachen Spitzenleistung. Dazu genügsam im Verbrauch. Also nicht ausgelegt auf kurzzeitige Höchst-Performance, sondern auf robustes Durchhaltevermögen. Unser Testverbrauch pendelte sich bei 4,2 l/100 km ein, was trotz des nicht allzu großen 18,8 l-Tanks fast 450 km Reichweite bedeutet.

Optisch ist die neue Africa Twin sehr ansprechend. Das schnittige Outfit entwarf der italienische Honda-Designer Maurizio Carbonara. In Fahrt fühlt man sich auf der betont schmalen Reiseenduro auch dann meist sehr wohl, wenn's beim Kurvenritt mal heißer hergeht. Das ist auf Asphalt umso erstaunlicher, da die Africa Twin fürs Gelände relativ viel Federweg bietet (230 mm vorn, 220 hinten). Aber das Fahrwerk ist gut abgestimmt und voll einstellbar. Nur in schnellen Kurven muss man sie mit etwas Nachdruck in Schräglage bringen, was vor allem am großen Vorderrad liegen dürfte. Weniger Gewicht als die Rivalen, dazu die zierlichere Silhouette - alles liegt gut in der Hand und fühlt sich geschmeidig an. Die Honda protzt in keiner Hinsicht, gibt sich eher als leicht beherrschbarer Begleiter für alle Situationen, in die ein Globetrotter so kommen kann. Als wirklich störend hat sich bei unseren Testfahrten nur eine Kleinigkeit erwiesen: Ein deutlich hörbares Knacksen zwischen Sitzbank und Tank. Fans der wiederauferstandenen Honda Africa Twin hören aber sicher darüber hinweg oder schaffen eigenhändig irgendwie Abhilfe.

Alles in allem fühlt sich Hondas neue Africa Twin souverän an auf Asphalt und vor allem im Gelände. Hier wie dort ist sie kein Extremist. Vielmehr ging es Honda bei ihrer Entwicklung offenbar in erster Linie um Allround-Qualitäten. Die legten den Grundstein zum hervorragenden Ruf der alten Africa Twin, und davon profitiert auch die Wiederauflage des Fernreise-Bikes. Spätestens, wenn man mit ihr längere Strecken on- und offroad hinter sich gebracht hat, macht sich die Überzeugung breit: Es müssen keine 1,2 oder mehr Liter Hubraum und bis zu 160 PS Leistung sein, um mit einer Reise-Enduro glücklich zu werden - die 998 ccm und 95 PS der Honda CRF 1000 L Africa Twin sind offensichtlich genug.

Ralf Schütze / mid

Test-Steno Honda CRF 1000 L Africa Twin:

Weltreisetauglicher Allrounder mit wassergekühltem Zweizylinder-Reihenmotor, Hubraum: 998 ccm, max. Leistung: 70 kW/95 PS bei 7.500/min, max. Drehmoment: 98 Nm bei 6.000/min, Kettenantrieb. Stahl-Kastenprofil Rahmen, Upside Down-Teleskopgabel 45 mm vorn, Honda ProLink-Aufhängung hinten (beides komplett einstellbar), Doppelscheibenbremse mit radial befestigten Vierkolbenbremszangen vorn 310 mm, Einscheibenbremse mit Doppelkolbenbremszange hinten 256 mm, ABS, Reifen vorn: 90-90-21, hinten: 150/70-18, Sitzhöhe: 850/870 mm, Tankvolumen 18,8 l, Radstand 1.575 mm, Gewicht vollgetankt 228 kg, Testverbrauch 4,2 l/100 km, Höchstgeschwindigkeit 199 km/h, Preis: ab 12.595 Euro.

auch in TECHNIK

Anzeige

Videos