20 Jahre Mercedes-Benz im Silicon Valley - Am Puls von Google und Apple

Das kalifornische Silicon Valley gilt als die Wiege der Digitalisierung. Als erster Autohersteller der Welt eröffnete Mercedes hier vor 20 Jahren ein Forschungs- und Entwicklungszentrum. Der Pioniergeist zahlt sich jetzt aus.

Sie ,,wohnen" quasi um die Ecke. Ebenso Facebook, Oracle, YouTube, ebay und Yahoo. Nirgendwo auf der Welt konzentriert sich so viel geballtes Wissen um Bits und Bytes, nirgendwo werden so viele Ideen auf so kurzen Wegen ausgetauscht wie im Silicon Valley. Das Areal, gut eine Autostunde südlich von San Francisco, gilt als die kreativste Gegend der Welt, als Wiege der Digitalisierung.

Mercedes hat dies früh erkannt. Die Stuttgarter eröffneten bereits 1995, als gerade das Internet begann, die Welt zu verändern, im Silicon Valley als erster Autohersteller überhaupt ein Forschungs- und Entwicklungszentrum. Nicht einmal zwei Dutzend Mitarbeiter kümmerten sich anfangs um Design-Trends und natürlich um die Digitalisierung. Heute sind es über 240. ,,Wir merkten schnell, dass hier neben der IT-Branche auch die automobile Zukunft mitgestaltet wird", sagt Arwed Niestroj, Chef des Mercedes R&D Centers. Der Pioniergeist der Schwaben zahlt sich aus. Mercedes fährt heute bei Themen wie Autonomes Fahren, Bedienkonzepte, Display-Darstellungen, Applikationen oder dem sogenannten Machine Learning auf der Pole Position. Die Sunnyvale-Entwickler haben mittlerweile 30 Apps in 28 Sprachen für 80 Länder und für sechs verschiedene Infotainment-Systeme entwickelt.

Auch die geografische Nähe zu den digitalen Profis trug maßgeblich zu dem Erfolg bei. ,,Man muss vor Ort sein, miteinander reden und Kontakte pflegen", weiß Niestroj. Die Entwicklung nur von Stuttgart aus hätte nie diese Ergebnisse gebracht. Nur so ließ sich mit den kurzen Entwicklungszeiten in der Consumer Electronic mithalten. ,,Wir sind hier sehr eng vernetzt mit den Big Playern der Branche", ergänz Ralf Lamberti, Direktor für Bedienkonzepte.

Einer davon heißt nVidia. Die Firma stattet Mercedes mit dem momentan besten Grafik-Chip der Welt aus, dem Tegra X1. Dessen Leistung liegt bei unvorstellbaren tausend Milliarden Rechenschritten pro Sekunde. ,,Noch vor 15 Jahren war dazu ein Supercomputer von der Größe eines Einfamilienhauses nötig, dessen Energieverbrauch einschließlich der Klimatisierung eine Million Watt verbrauchte", sagt Daniel M. Shapiro, Direktor Automotive bei nVidia. Der Tegra X1 aber ist nicht größer als ein Fingernagel und ermöglicht auf dem Display im Cockpit eine derart brillante Darstellung auch von bewegten Bildern, dass dem Betrachter vor Staunen der Mund offen bleibt. Offiziell will Mercedes nichts bestätigen. Doch der Superchip soll angeblich bereits im nächsten Jahr in der neuen E-Klasse (W 213) stecken.

Immer schneller, immer schlauer. Besonders die rasanten Fortschritte bei Smartphones, iPads und Laptops haben die Erwartungen der Kunden an ein Auto radikal verändert. Nur noch für Gestrige zählt, wie schnell es um die Kurve fährt oder wie viel Leistung unter der Haube steckt. Die junge, moderne Generation fragt nach Konnektivität, Internet und Infotainment. Das Auto als rollender Hotspot, als zweites Zuhause, vernetzt mit anderen Fahrzeugen, vernetzt mit der Umwelt, vernetzt mit Freunden. Darauf muss ein Autohersteller reagieren, dem Kunden den Aufenthalt im und den Umgang mit seinem Auto so angenehm wie möglich gestalten. Dazu zählt die Entwicklung von emotionalen, intuitiven und ästhetischen Bedienkonzepten. Apple hat vorgemacht, wie das geht.

Ebenso kümmern sich die Sunnyvale-Entwickler um Künstliche Intelligenz, ein wichtiger Punkt für das Autonome Fahren. Die Sensorik im Auto muss beispielsweise lernen, obwohl die Fahrbahn frei ist, dass die Situation ,,Ball, Kind, Straßenrand" eine Gefahr darstellt und bremsbereit sein. Auch ethische Aspekte spielen beim Autonomen Fahren eine Rolle. Soll etwa das computergesteuerte Auto gesetzeswidrig eine durchgezogene Linie überfahren, um an einem vor ihm stehenden Hindernis (parkendes Auto) vorbeizukommen? Jeder von uns würde dies natürlich tun, sobald die Gegenfahrbahn frei ist. Computer allerdings wägen nicht ab - noch nicht.

Aber sie sind lernfähig, studieren die Verhaltensmuster des Fahrers, kennen seine Sitzeinstellung, wissen, wie warm er es im Auto haben möchte, welchen Musiksender er gerne hört, kennen seinen Zielort und seine bevorzugte Strecke. All dies soll den Autofahrer zukünftig entlasten und entspannen. In der digitalen Welt geht das. ,,Der Mercedes der Zukunft wird ein intelligenter Begleiter sein, der die Stimmungen, Wünsche und Vorlieben des Fahrers und des Mitfahrers erkennt und Bedienschritte vorhersagen kann", prophezeit Ralf Lamberti. Lange wird dies seiner Meinung nach nicht mehr dauern.

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