Praxistest Westfalia Amundsen 540 D: Praktisch und komfortabel

Den Südpol wird dieser Amundsen wohl nicht erreichen, aber dafür bietet das aktuelle Einsteiger-Wohnmobil von Westfalia viel Potenzial für Ferienspaß an anderen Orten. Die ausgiebige Testreise mit dem Camper auf Fiat-Fahrgestell machte jedenfalls Appetit auf mehr.

Unseren niederländischen Nachbarn wird nur allzu gerne nachgesagt, sie seien ein fahrendes Volk von Wohnwagenbesitzern. Dass der Urlaub mit dem eigenen Bett im Gepäck auch hierzulande immer beliebter wird, zeigen nicht nur die wachsenden Besucherzahlen bei den Caravan-Salons in Düsseldorf (dieses Jahr vom 29. August bis 6. September), sondern auch die steigenden Neuzulassungen von Wohnmobilen. In den ersten sieben Monaten dieses Jahres setzte sich der seit Jahren anhaltende Aufwärtstrend um noch einmal zehn Prozent Zuwachs gegenüber dem Vorjahreszeitraum fort.

Mit mehr als 16.500 Einheiten ist der Fiat Ducato unangefochtener Spitzenreiter bei den verwendeten Fahrgestellen. Auch die nahe Bielefeld beheimatete Firma Westfalia nutzt bei ihren Produkten diese Basis. Viele Hersteller vertrauen auf die Expertise der Freizeit-Spezialisten: Ford lässt dort sein Modell Nugget bauen und Mercedes-Benz den Marco Polo. Unter dem Modellnamen Amundsen bietet Westfalia drei verschieden lange Wohnmobile an, auf Testfahrt ging in diesem Falle die Variante 540 D. Die Ziffer steht für die Fahrzeuglänge in Zentimetern, die beiden anderen Versionen sind sechs und 6,40 Meter lang.

Gerade wenn man zu zweit seine Reise antritt, ist der Amundsen ein ideales Gefährt. Einerseits erlauben die relativ kompakten Transporter-Abmessungen einen großen Aktionsradius, auch enge Innenstädte sind kein Tabu. Andererseits muss man dank der vollständigen Ausstattung mit Küchenzeile, Sitzgruppe, Doppelbett und Nasszelle nur geringe Kompromisse in Sachen Komfort machen. Unter dem im hinteren Wagenteil quer untergebrachten Bett befindet sich ein großer Stauraum, der durch bewegliche Liegeflächen sogar noch erweitert werden kann. Einzelreisende können da zum Beispiel ihr Fahrrad oder eine umfangreiche Sportausrüstung parken.

Das Testfahrzeug war mit einem 2,3 Liter großen Vierzylinder-Diesel ausgestattet, der 109 kW / 148 PS leistet. Sein Drehmoment von 350 Newtonmetern macht ihn so kraftvoll, dass man auf der Autobahn mühelos mitschwimmt und sich auch auf die linke Spur wagen kann. Die Motorleistung wird auf die Vorderachse übertragen und mit einem Sechs-Gang-Getriebe portioniert. Während die Räder vorn einzeln aufgehängt sind, ist hinten eine Starrachse mit Blattfedern montiert. Gemessen an der Tatsache, dass man mit einem Mindestgewicht von gut 2,8 Tonnen und dem cw-Wert einer Schrankwand unterwegs ist, konsumiert der Motor seinen Kraftstoff erstaunlich bescheiden: Auf rund 1000 Kilometer Testfahrt begnügte er sich mit 8,5 Litern je 100 Kilometer. Eine Stopp-Start-Funktion kostet allerdings Aufpreis.

Der rechtwinklige Aufbau sowie die großen Außen- und Zusatzspiegel machen das Manövrieren einfach. Wer ganz sicher gehen - besser fahren - will, bestellt sich eine Rückfahrkamera, die aber nur genutzt werden kann, wenn auch ein Navigationssystem installiert ist. Für beides zusammen ist ein Aufpreis von etwa 1300 Euro zu entrichten. Ebenfalls aufpreispflichtig ist die Geschwindigkeitsregelanlage, für die 279 Euro berechnet werden. Das sind rund 50 Euro weniger, als Fiat von seinen Ducato-Kunden für den Tempomat verlangt. Teurer als bei Fahrgestellhersteller ist der optionale 120-Liter-Tank, den man aber wegen des genügsamen Selbstzünders nicht wirklich braucht.

Die komfortablen Reisesessel des Cockpits (beide mit klapp- und verstellbaren Armlehnen) sind um 180 Grad drehbar, so dass vier Personen an dahinter einhängbaren Klapptisch Platz finden. Nur als Teil des ,,Westfalia Plus Pakets" erhältlich sind die sehr praktischen Faltrollos fürs Fahrerhaus. Sie manchen die umständliche Befestigung von Verdunklungsfolien überflüssig, bieten zuverlässigen Sonnen- und Sichtschutz und verschwinden während der Fahrt komplett in ihren fest montierten Rahmen. Wer die optionalen Dachfenster bestellt, sollte darauf gefasst sein, dass die dünnen Faltrollos durch Berührung oder Luftzug aus der Form geraten können. Sie sind aber leicht wieder in ihre Laufschienen zurückzudrücken. Zum Plus-Paket für 3190 Euro gehören unter anderem noch eine Klimaanlage, LED-Leuchtstreifen in den Dachstaukästen, eine Fliegenschutztür und elektrische Außenspiegel. Der Hersteller spricht von einem Kostenvorteil von 2265 Euro gegenüber Einzelbestellung.

Am Heck öffnet die zweiflügelige Portaltür ungehinderten Zugang zum Gepäck. Sollten es Tageszeit oder Wetter nicht sinnvoll erscheinen lassen, durch die Hecktür auf den Stauraum zuzugreifen, ist dies auch von innen möglich. Die beiden Fenster im Heck sind mit Verdunklungsrollos und Moskitonetzen versehen. Mittels eines zusätzlichen Hebels ist die Tür vom Bett aus zu öffnen. Die Liegefläche ist mit punktelastischen Kunststoff-Federelementen und einer Kaltschaummatratze ausgestattet, so dass es am Schlafkomfort nichts auszusetzen gibt. Leseleuchten sind an der Unterkante der Dachschränke eingelassen. Unter dem 1,30 Meter breiten Nachtlager finden die Koffer und Taschen Platz, Proviant, der keiner Kühlung bedarf sowie Campingtisch und Stühle. Eine Außenmarkise ist für 929 Euro bestellbar.

Insgesamt stellte der umfangreich ausgestattete Testwagen einen Gegenwert von 51 424 Euro dar. Auch auf dem Wohnmobil-Sektor sollte man auf Preisvergleiche nicht verzichten: Für einen Ford Nugget zum Beispiel, der weniger Platz und keine Nasszelle bietet, wird ein um rund 3000 Euro höherer Grundpreis verlangt.

Über den Gepäckraum sind der Ablasshebel für den Frischwasser-Behälter (90 Liter) sowie die Butan-Gasflasche erreichbar, die den Herd versorgt. Sie konnte Platz sparend auf ein Volumen von 2,8 Kg reduziert werden, denn die 4 kW-Zusatzheizung von Truma zieht sich ihren Brennstoff aus dem Dieseltank. Der Unterflur-Abwassertank sitzt zwischen den Achsen, fasst ca. 100 Liter und wird mit Hilfe eines Bowdenzug-Griffs von außen entleert.

Unter der rechtsseitigen Schiebetür ist eine elektrisch ausfahrbare Trittstufe vom Ausrüster Thule montiert, die auf 150 Kilo Tragkraft ausgelegt ist. Aber allzu beleibt sollte man ohnehin nicht sein, denn natürlich ist die Ducato-Hülle kein Tanzsaal. Der Hochdach-Kastenwagen hat standardmäßig ein Volumen von 11,5 Kubikmetern, in dem die Westfalia-Einbauten untergebracht werden müssen. Wertvoll ist die durchgehende Stehhöhe Eine gelungene Neuerung gegenüber dem Vorgängermodell ist der Kühlschrank (65 Liter), der unter dem zweiflammigen Gasherd sitzt und dessen Tür in Fahrtrichtung weist. Sie hat einen Öffnungswinkel von etwa 230 Grad, so dass man einen Lebensmitteleinkauf direkt aus dem Einkaufswagen in die Kühlfächer stapeln kann.

Gegenüber von Spülbecken und Küchenschränken (dessen selbst einziehende Schubfächer jeder Hausfrau Freude bereiten würden), ist die Nasszelle montiert. Auch wenn die Innenmaße von 82 x 78 Zentimetern die Verwendung des Begriffs ,,Zelle" nicht unangemessen erscheinen lassen, ist es doch erstaunlich, was dort alles untergebracht ist. Der Fußboden ist als Duschwanne ausgeformt, das Waschbecken hat eine ausziehbare Armatur. Dazu kommen Spiegel, Wandablagen, Handtuch- und Duschvorhanghalter sowie die Kassettentoilette mit drehbarem Sitz. Westfalia verwendet hier das in vielen Camping- und Wohnmobilen bewährte Fabrikat Thetford C 250 S. Auch wenn Nutzer vereinzelt von unzuverlässiger Sensorik der Füllstandsanzeige berichtet haben, ist es doch ein unbestreitbarer Komfortgewinn, die Toilette an Bord zu haben. Die Entsorgung ist mit wenigen Handgriffen erledigt, der von außen zugängliche Behälterkasten mittels externem Brauseschlauch im Nu gereinigt. Lediglich die Schließmechanik der nach innen und außen öffnenden Badtür zeigt noch Optimierungspotenzial.

Fazit: Der Westfalia Amundsen 540 D ist ein rundum praktischer und angenehm komfortabler Reisebegleiter. Bei einem Startpreis von 41 390 Euro (mit 115-PS-Diesel, ab Saison 2016) bietet es viel Wohnwert fürs Geld. Ein umfangreiches Angebot an Zusatzausstattungen erhöht die Bequemlichkeit und sogar Allradantrieb ist zu haben. Damit könnte man sich dann auch Richtung Südpol aufmachen. (ampnet/afb)

Daten Westfalia Amundsen 540 D

Länge x Breite x Höhe (m): 5,41 x 2,01 x 2,60 Radstand (m): 3,45 Motor: R4- Turbodiesel 2,3-Liter Hubraum Leistung: 109 kW / 148 PS bei 3500 U/min Drehmoment: 350 Nm bei 1500 U/min Getriebe: 6 Gang manuell Höchstgeschwindigkeit: 155 km/h Beschleunigung 0 auf 100 km/h: k.A. Kraftstoff-Verbrauch (Test/kombiniert), 8,5 L/100 km Effizienzklasse: B Tankvolumen: 90 L / 120 L (Option) Leergewicht / Zuladung: 2785 kg / 515 kg Schlaf-/Sitzplätze: 2-3/ 4 Batteriekapazität: 2 x 95 Ah Kühlschrank: 65 L Gasvorrat: 2.8 Kg Butan Standheizung: Warmluft 4 kW mit Zeitschaltuhr Frisch-/Abwassertank: 90 /100 L Grundpreis: 43 175 Euro Testwagenpreis: 51 780 Euro

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