Fahrbericht BMW R 1200 RS - GT auf zwei Rädern heißt RS

Bequem Kilometer abspulen und dennoch pfeilschnell kurvige Passstraßen durchqueren: Klingt verlockend bei Autos, wo die Vermengung von Komfort und Dynamik meist ,,Gran Turismo' heißt, kurz GT. Auf zwei Rädern nennt BMW die Melange aus Reise und Sport traditionell RS. Die neueste Variante komplettiert die Boxer-Baureihe.

1976 brachte BMW mit der R 100 RS das erste vollverkleidete Serienbike auf den Markt. Der Wind- und Wetterschutz war im Windkanal entwickelt worden und bot rahmenfest Schutz und dennoch Sportlichkeit. Was Mitte der Siebziger eine Sensation war, ist dem Münchner Auto- und Motorradhersteller fast 40 Jahre später ein dringliches Bedürfnis: Die R 1200 RS steht ab 12. Mai beim Händler und soll die perfekte Mischung aus Sportmotorrad und Tourenbike wiederaufleben lassen. Und zwar ungleich besser, als das zuletzt bis 2007 die unglücklich designte und deshalb schwer verkäufliche Vorgängerin R 1200 ST schaffte. Auf den ersten Blick hat die gefällige neue Tourensportlerin jedenfalls das Zeug dazu, zumal sie mit 92 kW/125 PS Leistung für 13.500 Euro keinesfalls überteuert wirkt.

Die neue R 1200-Boxer-Familie mit Teil-Wasserkühlung ist vorerst komplett: Nach den Allroundern GS und GS Adventure, dem Reiseschiff RT und dem Roadster R kommt jetzt mit dem Sport-Tourer RS das fünfte Modell auf den Markt. Und beweist laut Karl Viktor Schaller, Entwicklungsleiter von BMW Motorrad: ,,Der Boxer wird uns noch lange erhalten bleiben." Auf diese Nachricht werden fast 50 Prozent der BMW-Kunden freudig reagieren, denn sie setzen derzeit auf den gegenläufigen Zweizylinder der Bayern. Hinzu kommt der luftgekühlte Boxermotor im klassischen Retrobike R nineT. So überrascht es kaum, dass derzeit die vier erfolgreichsten BMW-Modelle boxerbetrieben sind - trotz der gleichzeitigen Erfolge der Zwei- und Vierzylinder-Reihenmotoren der Marke. All das hat gerade erst zum besten Quartal aller Zeiten geführt, in dem BMW von Januar bis März 2015 stolze 31.370 Motorräder und somit 9,2 Prozent mehr als im Vorjahr verkauft hat.

,,Die RS-Gene perfekt in die Zukunft transportieren" soll laut Schaller nun die neue R 1200 RS. Dazu hat sie die besonders verwindungssteife Upside-Down-Gabel aus dem Schwestermodell R mit 45 mm Durchmesser bekommen sowie deren Stahlrohr-Brückenrahmen in Gitteroptik, bei dem der Boxermotor eine tragende Rolle übernimmt. Nur die Geometrie haben die Ingenieure leicht angepasst, damit die neue RS den Drahtseilakt zwischen Sport und Tour hinbekommt. Eine windkanal-optimierte Verkleidung samt um 8 Zentimeter höhenverstellbarer Scheibe schützt vor Wind und Wetter.

Unterstützt wird die Vielseitigkeit der neuen R 1200 RS durch die beiden serienmäßigen Fahrmodi ,,Road" und ,,Rain", die Gasannahme und allgemeine Performance dem jeweiligen Einsatzzweck anpassen. Ab Werk ist neben ABS die Stabilitätskontrolle ACS an Bord. Sie lässt sich für 705 Euro Aufpreis durch die Dynamische Traktionskontrolle DTC auf vier Fahrmodi erweitern oder ist Teil eines von drei Ausstattungspaketen. Sofort erkennbar ist das hilfreiche DTC-System an der golden eloxierten Upside-Down-Gabel vorne und weißen Federelementen hinten.

Als Multitalent erweist sich die RS auch bei den Instrumenten, wo ein Mix aus klassisch analogem Tacho und digitalem TFT-Display für Überblick sorgt. Lobenswert: Fahrer unterschiedlichster Körpergröße fühlen sich wohl dank 82 Zentimeter Sitzhöhe, die sich von 76 cm bis 84 cm variieren lässt. Wie beim Auto ermöglicht Keyless Ride (255 Euro Aufpreis) besonders bequemes Fahren: Schon die Nähe des passenden Zündschlüssels genügt, um ungehindert Tank- und Lenkradschloss zu betätigen und die Zündung zu aktivieren.

Bei moderaten 236 kg Leergewicht sprintet die BMW R 1200 RS flott und durchzugsstark dem Spitzentempo von deutlich über 200 km/h entgegen. Genauere Angaben verkneift sich BMW stets. 100 km/h sind nach 3,3 s erreicht. 125 Nm Drehmoment wuchtet der 1,2-Liter-Boxer bei 6.500/min auf den pflegeleichten Kardanantrieb, der dank EVO Paralever-Einarmschwinge hinten ohne lästige Lastwechselreaktionen agiert. Der nominelle günstige Verbrauch von 4,1 l/100 km bei konstant 90 km/h (5,5 l bei 120 km/h) bestätigte sich bei unseren ersten Testfahrten, wobei wir im beschleunigten Gemischtbetrieb auf Landstraße und Autobahn bei vertretbaren 5,9 l/100 km landeten. Die schlanke, gestreckt wirkende Silhouette der Tourensportlerin RS wird vor allem durch eine weiß-blaue Lackierung unterstrichen. Eine Alternative mit Mattgrau wirkt eleganter.

Alles in allem ist der neuen BMW R 1200 RS zuzutrauen, dass sie sich als gebührender Nachkomme der revolutionären R 100 RS erweist. Einzig das teils sehr lautstarke Einlegen des 1. Gangs an der Ampel könnte alte BMW-Kritiker auf den Plan rufen. Dennoch: Absatzprobleme der optisch ungeliebten Vorgängerin ST werden der Tourensportlerin der Neuzeit fremd sein - die Wiederauferstehung des legendären Kürzels RS scheint gelungen.
Steckbrief BMW R 1200 RS
Motor: Luft-/Flüssigkeitsgekühlter Zweizylinder-Viertakt-Boxermotor, vier Ventile pro Zylinder, zwei obenliegende Nockenwellen, Hubraum 1.170 ccm, Leistung 92 kW/125 PS bei 7.750/min, Drehmoment 125 Nm bei 6.500/min, Sechsganggetriebe, Kardanantrieb.
Fahrwerk: Stahlrohr-Brückenrahmen, Motor mittragend, vorne Upside-Down-Teleskopgabel, hinten BMW EVO Paralever; Hydraulisch betätigte Doppelscheibenbremse vorn 320 mm, hinten Einscheibenbremse 276 mm, BMW Motorrad Integral ABS (serienmäßig, teilintegral, abschaltbar).
Maße und Gewichte: Gesamtlänge 2.203 mm, Sitzhöhe 820 mm (alternativ mit Zubehör 760 oder 840 mm), Leergewicht fahrfertig 236 kg, Tankinhalt 18 Liter.
Messwerte: Höchstgeschwindigkeit ,,über 200 km/h", Beschleunigung 0 - 100 km/h: 3,3 sek, Verbrauch: 4,1 l/100 km bei konstant 90 km/h (5,5 bie 120 km/h).
Preis: 13.500 Euro.

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