Panorama: Offroad auf zwei Rädern - Auf Schotterpfaden und Winnetous Spuren

Wer die Offroad-Eigenschaften eines Motorrades testen will, kann sich in heimischen Gefilden auf Streit mit Förstern und sonstigen Waldhütern einstellen. Dabei gibt es eine ganz legale Möglichkeit, abseits befestigter Wege zu fahren.

In Südspanien ist möglich, was anderswo längst verboten ist. In den Sierras Andalusiens gibt es Naturstraßen, Wege, Bergpfade, Canyons und weite Wüstenflächen, die von Motorrädern erobert werden dürfen. Thomas Thieme und Michael Dangrieß wissen, wo in dieser Region was erlaubt und machbar ist. Sie betreiben ein Testcamp für BMW in Spanien, und zeigen Bikern, was ihre Maschinen legal abseits befestigter Straßen können. Wir haben Anfang Januar an einer Erkundungstour teilgenommen.

Während die Testcamp-Teilnehmer im Februar und März direkt am Hotel Marina Playa in Mojacar starten, also direkt am Meer, geht es für uns Anfang Januar an der Rennstrecke von Almeria los, zwischen Sorbas -pittoresk an den Rand einer Schlucht gebaut- und Tabernas zu Füßen der Sierra Alhamilla gelegen. Im Norden begrenzt der mächtige, scharf gezackte Kamm der Sierra de los Filabres das Panorama. Harmlose Feldwege, mit mehr oder weniger losem Schotter belegt, bilden den Auftakt. Es folgen engere Wege, teils ähneln sie eher Pfaden, durch eine dürre Landschaft; der letzte Regen, sagt unser Guide, liege schon drei Wochen zurück.

Nur 240 Millimeter beträgt die Jahresniederschlagsmenge, ist im Internet zu lesen. Man glaubt's sofort. In einem lichten Wäldchen auf leicht abschüssigem Terrain wird ein Stopp eingelegt: Die erste Schlüsselstelle steht bevor. ,,Dort drunten hinter den Büschen geht's 90 Grad nach rechts und dann da drüben, am gegenüber liegenden Hang den Weg hinauf", erfahren wir. ,,Aber passt beim Bergauffahren auf und haltet euch rechts, denn in der Mitte sind tiefe Rinnen." Vermutlich eine typische Zweiter-Gang-Passage; der erste würde wohl zu viel Drehmoment an den Hinterreifen liefern und die Sache komplizierter machen.

Genauso ist es. Alle zehn Leute unserer Gruppe absolvieren die Passage problemfrei. Mit kaum 2.000 Touren wühlt sich die BMW F 800 GS den kaum 200 Meter messenden Hang entlang bergwärts. Einige Kilometer später nähern wir uns dem Highlight, einem etwa 15 Kilometer langen Canyon, der sich unterhalb des Bergkammes der Sierra Alhamilla von Ost nach West entlangzieht; der Ort Tabernas, an der spanischen Nationalstraße N 340a gelegen, wird im Süden passiert. Dieser Canyon ist ein Hammer! Abwechslungsreich, oftmals pittoresk, schlängelt er sich durch die Landschaft; mal so breit, dass vier Autos nebeneinander fahren könnten, mal so eng, dass der Platz gerade so für zwei Räder ausreicht. Zumeist sind hier Geländefahrzeuge unterwegs, Motorräder haben extremen Seltenheitswert.

Besonders attraktiv und abwechslungsreich macht diesen Canyon, dass viele Passagen den Charakter eines Bachlaufes aufweisen. Heißt: Der Untergrund ist feucht oft auch richtig nass und von mehr oder minder großen Pfützen durchsetzt. Dabei mal kiesig, mal felsig, mal steinig - und auch mal sandig. Höchst abwechslungsreich. Natürlich ist man hier nicht im Rallye-Tempo unterwegs. Zweiter Gang zumeist, mitunter auch der dritte. Es ist lustig hier, weil in sehr kurzen Abständen der Untergrund wechselt. Stets geht es gegen die tief stehende Sonne. Großflächige Reflexionen prägen die Blickführung.

Irgendwann biegen wir vom Canyon ab, und ein paar Biegungen weiter öffnet sich der Blick - ein Traum! Ein Dutzend Dattelpalmen in ansonsten unwirtlicher Umgebung, eine scharf eingefressener Mini-Canyon zur Rechten, links davon ein Weglein. Hier ist zweiter Gang das Maximum. Ein Spielplatz der Sonderklasse.

Als die Spiele-Einheit zu Ende ist, geht's weiter, immer westlich. ,,Fort Bravo 3 Km", ist auf einem verwitterten Wegweiser zu lesen. Wir sind südwestlich des Ortes Tabernas. Hier gibt es eine aus drei Teilen bestehende Installation, die schon oft für Westernfilme als Kulisse gedient hat und von denen ein Teil auch als Touristenattraktion fungiert. Wir umkurven diesen Bereich im Süden; der Blick auf Fort Bravo oder auch Western Leone - ein anderer Teil des riesigen Areals - bleibt uns verborgen. ,,Der Schuh des Manitu" und ,, Winnetous Rückkehr" sind in Fort Bravo gedreht worden. In Western Leone entstand ,,Spiel mir das Lied vom Tod", im heutigen Freizeitpark ,,Oasys", direkt angrenzend, hat man seinerzeit ,,Für eine Handvoll Dollar" inszeniert. Filmhistorische Plätze sind das, und wir tummeln uns mit unseren GS-Motorrädern nur einen Steinwurf davon entfernt in einem herrlichen Canyon!

Kurz darauf hat das Vergnügen ein Ende. Wir unterqueren  auf die Autobahn A 92, die Almeria mit Granada verbindet. Hier ist der ,,Point of Return". Auf Asphalt geht's flott heimwärts.

Die andalusische Wintersonne, milde gesonnen, gewährt uns nach unserer Rückkehr zur Rennstrecke und damit ins ,,Basiscamp" noch ein paar sonnige Minuten des Entspannens. Wir stoßen mit einem San Miguel auf einen hundertprozentig gelungenen Ausflug durch die einzige echte Wüstenlandschaft Europas an. Alles vom Feinsten. Motorradspaß bei um die 20 Grad Celsius mitten im zentraleuropäischen Winter - was will man mehr?

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