Test: BMW 4er Gran Coupé - Mut zur Lücke

In der Schule war der Abstieg von Note Drei auf Vier immer schlecht. Beim Münchener Autobauer ist die 4 jedoch ein Aufsteiger. Tatsächlich stellt BMW damit jedoch eigentlich ein altbekanntes Model unter frischer Bezeichnung vor. Ob die vier gewinnt?

Konzentration bitte: Welches Fahrzeug komplettiert das 4er Quartett von BMW neben dem 4er Coupé, dem Cabrio und dem X4? Nicht drauf gekommen? Okay, ein weiterer Tipp: Er ist der Konkurrent für den Audi A5 Sportback und der kleine Bruder des 6er Gran Coupé. Die Auflösung: Es ist das 4er Gran Coupé, bei dem es sich eigentlich um die viertürige Coupé-Version des 3ers handelt. Zugegeben, etwas verwirrend ist das ja. Wer bei der ganzen Zahlen-Akrobatik durcheinander gekommen ist, dem stellen wir den bayerischen Neuzugang in der sparsamen 418d-Variante im Alltagstest vor.

Das seit Juni dieses Jahres erhältliche 4er Gran Coupé ist ein Bild von einem BMW. Unverschämt gut sieht er aus. Die nach unten gezogene Motorhaube mit den schmalen Scheinwerfern, die abfallende Coupé-Linie sowie das kurze Heck machen ihn zur Augenweide.

Das BMW 4er Gran Coupé ist mit 4,64 Metern Gesamtlänge zwei Zentimeter länger, dafür aber vier Zentimeter flacher und einen Zentimeter schmaler als der 3er. Auch in Sachen Technik sind 3er und 4er-Reihe nahezu identisch. Der größte Unterschied liegt im Preis. Während der Einstieg in die Welt des 4er Gran Coupés beim 420i ab 35.750 Euro startet, geht es beim Dreier mit der schwächer motorisierten Basisversion des 316i mit 29.650 Euro deutlich günstiger zu. Unser 418d kostet glatte 37.000 Euro ohne Extras.

Wie sitzt es sich im Wagen mit der Ziffer 4? Der schöne Münchner ist wie ein Designanzug. Das Raumangebot ist praktisch auf Maß geschneidert. Viel Kopffreiheit gibt es dadurch hinten nicht und etwas Gelenkigkeit sollte man auch mitbringen. Kopf und Bauch einziehen und in die Polster fallen lassen - die allerdings gewohnt bequem sind. Am Arbeitsplatz fühlt sich der Fahrer ausgesprochen wohl. Die Einrichtung bietet weniger Überraschendes, mal abgesehen vom messerscharfen Display des neuen Navis.

Nicht sehr gelungen ist die Sicht nach hinten. Durch das schmale Heckfenster und die dicke C-Säule ist sie eher mau. Ein BMW-Fahrer schaut eben nicht gern zurück. Gut, dass es für 420 Euro eine Rückfahrkamera oder für 750 Euro einen Einparkhelfer gibt. Positiv fällt da die ansehnliche Kehrseite des 4er Gran Coupés auf. Durch das Fließheck öffnet sich - per Knopfdruck - eine extrem weit aufschwingende Klappe. Das hat sich der 4er vom 3er GT abgeschaut. Mit 480 Litern Stauraum bringt das Gran Coupé genauso viel unter wie die 3er Limousine und 35 Liter mehr als der Zweitürer. Klappt man die teilbare Rückbank vor, sind es sogar bis zu 1.300 Liter.

Angetrieben wird der 418d von einem 105 kW/143 PS starken Aggregat mit 320 Nm Drehmoment. Seine Kraft ist nicht für einen Raketenstart gedacht, lieber rennt er über lange Straßen und offene Kurven. Dort fühlt der Bayer sich zuhause, reagiert schnell auf Brems- oder Gasbefehle und lässt auch bei hohen Geschwindigkeiten nicht viel der störenden Außengeräusche in sein Innerstes. Die Lenkung ist wie gewohnt präzise und direkt, das Sechsgang-Getriebe sauber abgestimmt. Wer es jedoch noch genauer will, kann dem Wagen für 2.150 Euro die Achtgang-Automatik einpflanzen lassen.

Neben dem normalen Fahrmodus lassen sich per Knopfdruck eine sportliche und eine besonders sportliche Einstellung wählen. Wer den sogenannten Fahrerlebnisschalter in der Mittelkonsole auf ,,Sport+" stellt, kann diesen 1,6 Tonnen schweren 4er in 9,2 Sekunden auf Tempo 100 treiben, dabei reagieren Lenkung und Fahrwerk ruppiger. Das erfreut besonders sportlich fahrende Piloten. Wer sparsam unterwegs sein will, wählt den Eco-Modus und gleitet mit einer kommoderen Version weiter, die zäher anfährt und deutlich verhaltener unterwegs ist.

Übermäßig durstig wird der BMW bei seiner Arbeit jedoch nicht. Selbst mit hitziger Temperatur im Innenraum, einem bunten Mix aus Stadtfahrten, reichlich Stopp-and-Go und flink gefahrenen Autobahnkilometern, benötigt das Gran Coupé im Schnitt 6,4 Liter.

Ist das 4er Gran Coupé mit seinen vier Türen also ,,nur" der praktischere Ableger des 4er Coupés oder der eleganter geformtere 3er? Da sind wir wieder bei den Zahlenspielchen. Für BMW ist offenbar keine Nische so klein, dass sie nicht besetzt werden kann. Der bayerische Zahlenstrang vom 1er bis zum 7er ist fast lückenlos besetzt. Das BMW 4er Gran Coupé punktet mit großem Stauraum, kann als kleinere und somit günstigere Alternative zum 6er oder als schönere 3er-Limousine gesehen werden. Vielleicht sogar als attraktiver Kombi-Ersatz. Und den Aufstieg der zusätzlichen zwei Türen bei der Karosserievariante des 4ers gibt's zum Nulltarif - denn die liegen preislich gleichauf. Und das ist doch auch mal eine schöne Botschaft.

Technische Daten - BMW 4er Gran Coupé:
Viertüriges Coupé der Mittelklasse; Länge:4,64 Meter, Breite: 2,02 Meter, Höhe: 1,39 Meter, Radstand: 2,81 Meter, Kofferraumvolumen: 480 - 1.300 Liter
2-Liter-Dieselmotor, Sechsgang-Getriebe, 105 kW/143 PS, maximales Drehmoment: 320 Nm bei 2.500 U/min, 0-100 km/h: 9,2 s, Vmax: 213 km/h, Durchschnittsverbrauch: 4,7 Liter je 100 Kilometer, CO2-Ausstoß: 121 g/km, Abgasnorm: Euro 6, Effizienzklasse: A, Testverbrauch: 6,4 Liter
Preis: 37.000 Euro
Kurzcharakteristik - BMW 4er Gran Coupé:
Alternative zu: Modellen des eigenen Hauses oder zum Audi A5 Sportback
Passt zu: Ästheten mit Platzbedarf
Sieht gut aus: von allen nur denkbaren Perspektiven

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