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Harley-Davidson blickt in für die Zukunft: Historie trifft Strom

Seit der Krise 2009 haben sich die Amerikaner mit neuen Prozessen auf immer schneller wechselnde Anforderungen eingestellt. Die Marke macht sich fit für die Zukunft und schreckt dabei vor ungewöhnlichen Lösungen nicht zurück.

SP-X/Wien. „Fast wie ein Cowboy und sein Pferd.“ Der Satz klingt zunächst verblüffend, dann aber einleuchtend. Matt Levatich, im Harley-Davidson-Vorstand verantwortlich fürs operative Geschäft, beschreibt damit die einzigartige emotionale Verbindung zwischen Mensch und Maschine – vorausgesetzt, in der Maschine bollert ein V2-Motor aus Milwaukee. Hinter Harley-Davidson stecke so viel Geschichte, dass andere Marken einfach nicht mithalten könnten. Dazu komme die neue Kernkompetenz, die sich das Unternehmen in den letzten Jahren erarbeitet habe: Schnell und flexibel auf weltweite Marktanforderungen zu reagieren. Von fünf auf drei Jahre habe Harley-Davidson die Entwicklungszeit verkürzt, um neue Märkte und neue Zielgruppen möglichst punktgenau zu bedienen.

Ein guter Teil der heute 29 Modelle plus einem Trike und vier hausgetunten CVO-Sondermodellen hätten seit 2013 davon profitiert: „Unsere Ideen kommen so früher in den Markt. Die Investitionen, die wir dadurch sparen, können wir in Kapazitäten oder gleich ins nächste Projekt stecken. Wir gewinnen also Geschwindigkeit und Stückzahlen“, erklärt Levatich. Aktuelle Neuheiten, die auf das Entwicklungsprojekt Rushmore zurückgehen, sind das neue Einstiegsmodell Street 750, der ins Programm zurückgekehrte Tourer Road Glide Special, Hochleistungsbremsen für die Softail-Modelle, im Windkanal optimierte Verkleidungen für die Touringmodelle sowie das Infotainment-System „Boom! Box“ mit Touchscreen, Navi und Bedienung von den Handgriffen aus.

Optik, Klang und Fahrgefühl müssen bei einer Harley immer stimmen. Das verkündete Harley-Davidson explizit vor einem halben Jahr bei der Vorstellung der wassergekühlten kleinen Street 750. Und mit eben diesen Worten bringt es auch Matt Levatich auf den Punkt, wenn es um künftige Modelle geht: „In den nächsten Jahren werden Sie merken, dass Harley-Davidson eine immer größere Reichweite und Relevanz bekommt. Und einen immer größeren Zugriff auf unterschiedliche, neue Arten von Motorradfahrern – aber aus den immer gleichen Gründen.“

Das gelte selbst für völlig neuartige Bikes mit dem Harley-Davidson-Emblem auf der Tankattrappe. „Wir sind absolut zuversichtlich, dass wir das auch bei einem Elektro-Motorrad hinbekommen“, so Levatich über das neue Projekt „LiveWire“. Nur anfangs hätten die Produktentwickler an der Anforderung „Sound“ ganz schön zu knabbern gehabt. Aber dann hätten sie sich euphorisch reingehängt. Heraus gekommen ist bislang ein 55 kW/75 PS-Bike mit kampfjetartigem Fahrgeräusch aus einem Soundgenerator, das die LiveWire von allen anderen Elektro-Bikes unterscheidet. Laut Levatich komme damit eine völlig neue Erfahrung zur Modellpalette von Harley-Davidson.

Die rund 3.000 bisherigen Testfahrten in 30 Städten mit der Elektro-Harley hätten sowohl typische Kunden der Marke absolviert als auch wesentlich jüngere, städtische Biker. Die Reaktionen: „Praktisch 100 Prozent haben sofort gesagt: Wow, ich will so eine!“ Bis es aber soweit ist, könne laut Levatich noch einige Zeit vergehen, da zum Beispiel 85 km Reichweite noch deutlich vom typischen Wunsch der Kunden entfernt sei. Die wollen etwa doppelt so weit fahren können. „Ob es in drei, vier oder fünf Jahren soweit sein wird, ist für uns zweitrangig. Vor allem wollen wir eine Elektro-Harley auf den Markt bringen, die alle Ansprüche an ein Motorrad unserer Marke erfüllt.“

Inzwischen ist Harley-Davidson laut Levatich in der Lage, immer flexibler auf die Bedürfnisse am Motorrad-Weltmarkt zu reagieren. Ein nasser und kalter Frühling habe 2014 in den USA zu sinkender Nachfrage geführt, deshalb habe man Produktionskapazitäten auf andere Märkte wie Deutschland verlagert. „Früher“, so Levatich, „hätten wir weiter für den US-Markt produziert und Überkapazitäten geschaffen. Heute können wir schnell Produkte dorthin verlagern, wo sie Abnehmer finden.“

Ob LiveWire oder Street 750 – beide Projekte bringen neue Kunden zur alten Marke. Dennoch lebe die Anziehungskraft Harley-Davidsons laut nach wie vor stark von der Tradition seit 1903: „Keine andere Marke hat über so lange Zeit hinweg eine durchgehende Geschichte und Kontinuität“, erklärt der Vorstand. So sei eine Harley für viele Veteranen des Zweiten Weltkriegs oder später nach Vietnam ein Symbol der Unabhängigkeit und eine Hilfe bei der Flucht vor düsteren Erinnerungen gewesen.

Glaubwürdiger als andere Marken verkörpere Harley-Davidson bis heute Werte wie Rebellion oder den Drang nach persönlicher Freiheit. Das spiegle sich zum Beispiel in der weltweit erfolgreichen TV-Serie „Sons of Anarchy“ wieder, in der Harleys eine tragende Rolle spielen, und das sei auch in der Historie der USA fest verankert. Levatich: „Persönliche Freiheit bedeutet manchmal, aufzustehen und Nein zu sagen. So wie die USA einst Nein sagten zu England.“

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