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Test Quadro 350S: Emporkömmling

Der Dreiradroller Quadro 350S scheint auf dem deutschen Markt langsam Fuß zu fassen. Positiv ist zu werten, dass der noch junge Hersteller offen für Kritik ist und Verbesserungen schnell in die Serie einfließen lässt.

SP-X/Köln. Nachdem Dreiradroller den Exotenstatus hinter sich gebracht haben, belassen wir es zur Kennzeichnung dieser Fahrzeuggruppe bei dem Verweis auf mehr Fahrstabilität und mehr Sicherheit beim Bremsen als bei konventionellen Rollern mit zwei Rädern. Dies gilt uneingeschränkt auch für den Quadro 350S, der einem italienisch-schweizerischen Unternehmen entstammt und in Taiwan montiert wird. Wir haben uns mit dem MP3-Konkurrenten ausgiebig beschäftigt.

Mit nur wenig mehr als 200 Kilogramm ist er für seine Leistungsstärke ein Leichtgewicht. 20 kW/27 PS aus den 346 Kubikzentimetern Hubraum des wassergekühlten Einzylindermotors erlauben dank der gut abgestimmten Variomatik – Schalten und Kuppeln entfallen –flottes Vorwärtskommen. Die gebotenen 125 km/h genügen für sicheres Mitschwimmen im üblichen Verkehrsgeschehen, insbesondere in Ballungsräumen.

Dafür ist der Quadro 350S ausgelegt: Er ist schmal genug, um sich in Innenstädten auch mal in Kolonnen nach vorne zu wursteln und zugleich breit genug, um mit dem Pkw-Führerschein gefahren werden zu dürfen (sofern dieser vor dem 19. Januar 2013 erteilt worden ist).

Eine Eigenart des von Quadro entwickelten Vorderrad-Neigesystems HTS (funktioniert hydraulisch-pneumatisch) ist es, träger anzusprechen als ein rein mechanisches System. Wer viel Zweiraderfahrung hat, ist darüber anfangs irritiert; wer allein vom Pkw kommt, hat damit keinerlei Probleme. Man muss den Lenker etwas kräftiger zur gewünschten Seite drücken, dann legt sich der Quadro 350S bis zu 40 Grad in die Kurve – auch bei Nässe! Er vermittelt dank des an beiden Vorderrädern gleichen Anpressdrucks ein ausgesprochen sicheres Fahrgefühl.

Dank der geschilderten Trägheit des HTS sind keine Verriegelungs-Spielereien beim Anhalten erforderlich, um das Fahrzeug vor dem Umfallen zu bewahren; dennoch stellt man an der Ampel zumeist einen Fuß auf den Boden. Auch Unerfahrene kommen damit gut zurecht. Das gilt ebenso für den Umgang mit der Dreischeiben-Bremsanlage: Auch ohne ABS gelang es uns nicht einmal, die Vorderräder zum Blockieren zu bringen. Das Hinterrad allerdings zeichnet bei hartem Bremsen schwarze Striemen auf den Asphalt; freilich ohne Auswirkungen auf die Fahrstabilität. Die Bremswirkung ist gut.

Viele Details des 350S überzeugten im Alltagsbetrieb: Die Sitzposition ist angenehm, die Bedienung des Fahrzeuges sehr einfach. Vorteilhaft sind das große Untersitz-Staufach (fasst einen Integral sowie einen Jethelm), die 12 Volt-Steckdose im Frontfach, das auch für die Entriegelung von Sitzbank und Tankklappe zuständige Zündschloss sowie die zur Prüfung des Reifendrucks leicht zugänglichen Reifenventile.

Allerdings fielen im Alltag auch einige weniger gelungene Details auf. So klagten fast alle Fahrer über vom Windschild ausgelöste Turbulenzen am Helm; ob die Umrüstung auf ein größeres Windschild Vorteile bringt, ließ sich nicht überprüfen. Das Motorgeräusch wird als etwas aufdringlich empfunden, doch ist die Laufkultur des Einzylindermotors absolut zufriedenstellend. Vorsicht gilt beim Prüfen des Motorölstands unmittelbar nach einer Fahrt; der Messstab liegt dicht am dann heißen Auspuff. Schade ist, dass Quadro es sich gespart hat, die aufgeklappte Sitzbank gegen unbeabsichtigtes Zufallen zu sichern; die geringste Berührung genügt dazu.

Moniert haben wir gegenüber dem Hersteller, dass auf nasser Straße die Gischtentwicklung an den Vorderrädern die Beine des Fahrers zu stark einnässt. Darauf hat Quadro unmittelbar reagiert und rüstet den 350S seither mit verlängerten Radabdeckungen an der Front aus.

Akzeptieren muss man als Fahrer wohl, dass der Benzinkonsum des doch meist sehr zügig bewegten Quadro 350S – man lässt sich durch widrige Fahrbahnverhältnisse nicht so leicht einbremsen! – mit fünf Litern Super pro 100 Kilometer nicht gerade gering ist. Wer auf freien Straßen über Land düst, schafft sogar bis zu 5,3 Liter. Hier bietet sich für Quadro die Chance für Verbesserungen. Dem Beschaulichkeits-Fahrtest setzte sich das Testfahrzeug beharrlich zur Wehr.

Insgesamt kann der dem Quadro 350D (22 PS) klar überlegene 350S auch angesichts des Preises von 6.990 Euro überzeugen: Er lässt sich selbst bei widrigen Umständen absolut sicher und dabei zügig fahren und ist leicht zu bedienen. Selbst mit Zweirädern vollkommen unerfahrene Probanden zeigten sich begeistert vom unkomplizierten Zugang zu diesem Dreiradroller. Es verwundert insofern nicht, dass Quadro seinen Absatz auf dem deutschen Markt in den ersten drei Quartalen dieses Jahres fast verdoppeln konnte. Spannend wird sein, Anfang nächsten Jahres den ersten „Roller“ mit vier Rädern und Neigetechnik zu fahren. Er ist Anfang Oktober auf der Intermot in Köln in Serienausführung präsentiert worden und stammt ebenfalls von Quadro. Auch er ist mit HTS ausgerüstet, aber eben vorne und hinten. Es bewegt sich also etwas im Markt der Neigungs-Gefährte.

Technische Daten Quadro 350 S

Motor: Wassergekühlter Einzylinder-Viertaktmotor mit vier Ventilen, Hubraum 346 ccm, Leistung 19,8 kW/27 PS bei 7.000/min, max. Drehmoment 28,8 Nm bei 5.500/min, stufenlose Variomatik.

Fahrwerk: Stahlrohrrahmen, vorn HTS-System (hydraulisch-pneumatische Neigungsfederung), hinten zwei Federbeine mit verstellbarer Federvorspannung, 100 mm Federweg, vorne zwei 240 mm Scheibenbremsen, hinten 256 mm Scheibenbremse. Reifen vorne je 110/80-14, hinten 140/70-15. Maße und Gewichte: Sitzhöhe 800 mm, Leergewicht (fahrfertig) 208 kg, zul. Gesamtgewicht 480 kg, Tankinhalt 13,2 Liter Preis: 6.995 Euro

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